Tennis:"So ein Titel lässt sich nicht wie ein Picknick planen"

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Michael Geserer, 46, hat früher Davis-Cup-Spieler Michael Kohlschreiber trainiert. Seit 2010 ist er Regensburgs Cheftrainer, seit 2015 betreut er auch Fed-Cup-Spielerin Julia Görges. (Foto: Hasenkopf/Imago)

Michael Geserer, Cheftrainer von Tennis-Meister TC Blau-Weiß Regensburg, über den historischen Vereinserfolg, die Teamphilosophie und Glückwünsche von Angelique Kerber.

Interview von Matthias Schmid

Die Frauenmannschaft des TC Rot-Blau Regensburg hat erstmals in ihrer Vereinsgeschichte die Meisterschaft in der Tennis-Bundesliga gewonnen - nur zwei Jahre nach dem Aufstieg. Im Interview erklärt der Teammanager und Cheftrainer Michael Geserer, 46, wie das möglich ist, warum Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber nicht mitgespielt hat und welches die neuen Ziele sind.

SZ: Herr Geserer, hat Angelique Kerber Sie schon angerufen?

Michael Geserer: Nein, sie hat mir aber sofort eine Whats-App-Nachricht geschrieben, als am Sonntag feststand, dass wir deutscher Mannschaftsmeister sind. Sie hat sich richtig für uns gefreut.

Die Australian-Open-Siegerin und Wimbledon-Finalistin war ja auch vorgesehen, an einem Spieltag für Regensburg zu spielen. Aber Schulter- und Rückenprobleme haben das verhindert.

Wir hatten alles versucht, dass Angelique Kerber kommt und für uns spielt. Aber wir haben dann am Ende gemeinsam entschieden, dass es besser für sie ist, wenn sie vor Wimbledon noch mal pausiert. Und wie sich zeigen sollte, war das für sie und auch für uns die richtige Entscheidung. Sie stand erstmals im Endspiel und wir sind jetzt deutscher Meister.

Wird Kerber nächstes Jahr für Regensburg spielen?

Über die neue Spielzeit haben wir uns ehrlich gesagt noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Wir haben mit dem Titelgewinn Historisches erreicht und wollen das erst einmal genießen und verarbeiten. Es war eine tolle Saison mit wunderbaren Spielerinnen, die Meisterschaft ist ein riesiger Erfolg für den Klub und auch für die Stadt Regensburg. Weil wir ja das letzte Saisonspiel in Hannover bestritten haben, werden wir bei uns im Klubhaus in der nächsten Woche die Meisterfeier nachholen, mit den Spielerinnen und allen Helfern.

Julia Görges wird da besonders im Fokus stehen, seit Dezember lebt die Fed-Cup-Spielerin in Regensburg, sie tritt für den TC Blau-Weiß an und wird von Ihnen auch privat auf der Tour trainiert.

Julia hat den größten Anteil daran, dass wir die Spielzeit ungeschlagen mit dem Titel beendet haben. Sie hat vier der sechs Saisonspiele mitgemacht und war das Gesicht und Zugpferd. Vor allem der letzte Spieltag in Hannover war ein unglaublicher Stress für sie. Am Freitag war sie in Wimbledon noch im Doppel-Halbfinale an der Seite von Karolina Pliskova Serena und Venus Williams gegenübergestanden. Sie flog dann am Samstag direkt von London nach Hannover, wo sie nach ihrer Ankunft noch zwei Stunden mit mir trainiert hat, um sich für den nächsten Tag auf Sand gewissenhaft vorzubereiten. Ihr Fleiß und Einsatz hat allen Mitspielerinnen imponiert, normalerweise brauchst du nach einem Turnier wie Wimbledon ein paar Tage Pause vom Tennis.

Wird denn Görges im nächsten Jahr wieder fix dabei sein?

Nicht mal Julia hat einen gültigen Vertrag bei uns. Wir schließen mit keiner Spielerin Mehrjahresvereinbarungen ab, weil wir immer sehen wollen, ob eine Spielerin weiter für uns spielen möchte. Die Profis sollen aus freien Stücken für uns antreten wollen, nicht weil wir sie dazu zwingen müssen. Diese Haltung hat sich bei uns über die Jahre bewährt. Sie sind dann mit Spaß dabei und hängen sich voll rein. Mit Julia habe ich über die nächste Bundesligasaison noch gar nicht gesprochen, aber im Moment fällt mir überhaupt kein Grund ein, warum sie nicht nächste Saison wieder für uns aufschlagen soll.

Gibt es denn überhaupt schon eine Zusage einer Ihrer Spielerinnen für die nächste Saison?

Noch habe ich mit keiner aus dem Team gesprochen, alle genießen jetzt erst einmal das Erreichte, und dann setzen wir uns wieder zusammen. Aber natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Mannschaft künftig aussehen könnte, und auch die eine oder andere Neue angesprochen.

Sie haben bereits im zweiten Jahr nach dem Aufstieg den Titel gewonnen. Welches Ziel werden Sie da jetzt für die nächste Saison ausrufen? Der Klassenverbleib allein wird es nicht sein können, oder?

So eine Meisterschaft lässt sich nicht so einfach wie ein Picknick planen. Vor allem nicht in einer so starken und ausgeglichenen Liga wie der Bundesliga, in der 25 Spielerinnen aus den ersten 100 Plätzen der Weltrangliste vertreten sind. Wir hatten auch das nötige Quäntchen Glück. Gegen den TEC Waldau Stuttgart zum Beispiel, der am Ende fast abgestiegen wäre, haben wir beim Spielstand von 4:4 das entscheidende Doppel erst im Match-Tiebreak des dritten Satzes mit 10:4 gewonnen. Es gibt so viele Unwägbarkeiten in dieser Liga, weil man nie genau weiß, ob man mit der stärksten Mannschaft am Spieltag auch antreten kann. Die Spielerinnen sind ja während der Woche überall auf der Welt im Einsatz. Ein Platz unter den besten fünf ist immer respektabel.

Wollen Sie den Titel nicht verteidigen?

Ich habe meine Ziele, ob die aber auch mit den Klub-Vorstellungen vereinbar sind, müssen die internen Gespräche erst noch zeigen. Aber wir wollen natürlich den Zuschauern in Regensburg wieder Weltklassetennis anbieten. Die Mannschaft wird definitiv nicht auseinanderfallen, im Gegenteil. Der Hauptsponsor, der die Hauptlast am Etat trägt, bleibt uns noch weitere zwei Jahre erhalten. Vielleicht schaffen wir es ja sogar, uns zu verstärken. Wir werden jedenfalls keine schlechtere Mannschaft haben.

Am Ende auch mit Angelique Kerber?

Ich werde in jedem Fall mit ihr und ihrem Trainer Torben Beltz sprechen. Wir verstehen uns alle gut und Julia verbindet eine besonders enge Freundschaft zu Angelique. Vielleicht lässt sich ja eine Vereinbarung finden, die auch Übungseinheiten auf der Tour beinhaltet. Im Wimbledon haben Julia und Angelique am zweiten Tag gleich miteinander trainiert. Es wäre schön, wenn sie sich noch mal für Regensburg entscheiden würde.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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