Tennis:Reha am Rothenbaum

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"Ich habe zuletzt mehr Spiele verloren als davor in zehn Jahren": Rafael Nadal, 29, strebt in Hamburg nach Erfolgserlebnissen. (Foto: AP)

Rafael Nadal erlebt seine schlechteste Saison seit Jahren. Das Hamburger Turnier ist für den Mallorquiner umso bedeutsamer.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Michael Stich, der vom Hamburger Regen und ein paar fehlenden Sponsoren arg gebeutelte Direktor des ATP-Turniers am Hamburger Rothenbaum, hat es auch in diesem Jahr nicht leicht. Am Dienstag schieden mit Philipp Kohlschreiber und dem Lokalmatador Alexander Zverev schon zwei der drei deutschen Profis aus - nur Florian Mayer darf am Donnerstag in Runde zwei gegen Andreas Seppi aus Italien noch mitmachen. Doch das schlimmste aller denkbaren Missgeschicke blieb ihm erspart, und das war "sehr wichtig für das Turnier", gab Stich zu. Rafael Nadal, 29, jener für ein paar Hunderttausend Euro eingekaufte Zuschauermagnet, ist nach dem 3:6, 6:1, 6:1 gegen seinen spanischen Landsmann Fernando Verdasco weiterhin dabei. Und das war keineswegs klar. Im Frühjahr in Miami hatte ihn Verdasco in der dritten Runde aus dem Wettbewerb geworfen.

Fernando Verdasco rang er nach einem Fehlstart noch nieder - nun ist Jiri Vesely sein Gegner

Man kann sagen, dass der zwischen 2008 und 2014 insgesamt 141 Wochen auf Platz eins der Weltrangliste platzierte Nadal in Hamburg eine Art Reha macht. Der wohl dominanteste Sandplatzspieler der Geschichte, der zwischen 2005 und 2007 mal 81 Sand-Siege nacheinander feierte, ehe er am Rothenbaum im Finale an Roger Federer scheiterte, versucht sich zu erholen von diversen Verletzungen (13 verschiedene Blessuren stehen in seiner Krankenakte, siebenmal musste er deswegen schon für Grand-Slam-Turniere absagen) und seiner zuletzt chronischen Formkrise. "Ich habe", beschrieb er selbst das Tief, "zuletzt mehr Spiele verloren als davor in zehn Jahren." Zuletzt hatte er in Wimbledon mit dem Aus in Runde zwei gegen den deutschen Qualifikanten Dustin Brown den nächsten Tiefpunkt. 2015 steht nur ein Turniersieg für die inzwischen auf Rang zehn abgerutschte Tennis-Größe zu Buche. In Buenos Aires musste der 14-malige Grand-Slam-Gewinner aber auch niemanden aus den Top 50 bezwingen.

Wie sehr Nadal darum kämpft, zumindest ein wenig wieder der Alte zu sein, war sowohl beim Training in Hamburg als auch im Spiel gegen Verdasco zu sehen. Am Tag vor dem Match hat er gleich drei Stunden geübt, aber erst nach etwa 60 Minuten fand er zumindest ein wenig seinen Rhythmus. Auch gegen Verdasco fehlte seinen Bällen oft die richtige Länge, weshalb er den ersten Satz verlor. Aber dann erlaubte ihm sein fehlerhafter Gegenspieler ein Break. Das war, so Nadal, ein "Key Moment", ein Schlüsselmoment. "Wenn du ein Match so schlecht beginnst, es aber gut beendest, bringt dich das weiter", sagte er später erleichtert. Denn auch bei ihm geht es, wie bei allen Rivalen, um neues Selbstvertrauen. Und sein Stil ist nun mal sehr kräftezehrend.

Ob sein Rezept aufgeht, in Hamburg für die Ende August beginnende US Open (wo er im vorigen Jahr wegen einer langfristigen Handverletzung passen musste) genügend neuen Mut zu tanken, wird natürlich vom weiteren Abschneiden abhängen. Am Donnerstag muss er gegen den Tschechen Jiri Vesely (Weltranglistenplatz 45) antreten, der am Mittwoch den Österreicher Andreas Haider-Maurer 3:6, 6:1, 6:0 bezwang. Vielleicht hilft ihm, dass er - mit Ausnahme des Wetters - nur gute Erinnerungen an die norddeutsche Metropole hat. 2003 trat er hier als 21-Jähriger erstmals an, 2007 stand er im Finale, und ein Jahr später gewann er es, als er Revanche an Roger Federer nahm.

Das Preisgeld von 311 775 Euro wird ihm wegen des von einem Sponsoren bezahlten Antrittsgeldes vielleicht weniger wichtig sein als jene 500 Punkte für die Weltrangliste, mit der er wieder ein Stück höher klettern könnte. Dass Nadal, der in seiner Karriere schon mehr als 73 Millionen US-Dollar verdiente, als Partner für Geschäftsfreunde trotz sportlicher Krise eine gute Figur macht, bewies er in Hamburg ebenfalls. Er trug mal wieder während der Partie seine rund 700 000 Euro teure Uhr eines Schweizer Herstellers. Er lobte den Chronometer, weil er so leicht sei, dass er ihn gar nicht spüren würde. Überhaupt sei es "eine große Ehre", dafür Werbung zu machen. Letztes Jahr habe er den Kontrakt um zehn Jahre verlängert. Das ist die andere Seite dieses Profisports. Und man kann sagen: Zumindest in dieser Hinsicht gibt es bei Rafael Nadal offenbar keine Formkrise.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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