Tennis:Razzia beim Chef

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Frankreichs Verbands-Präsident Jean Gachassin steht unter Korruptionsverdacht. Es geht um Veruntreuung, illegale Ticketdeals bei den French Open und Bau-Ausschreibungen fürs Grand-Slam-Turnier in Paris.

Von Thomas Kistner, München

Die nächste Sportart, die nächste Polizeirazzia: Am Dienstag hat die Pariser Staatsanwaltschaft die Zentrale des französischen Tennisverbandes (FFT) sowie das Privatdomizil von Verbandschef Jean Gachassin durchsucht. Dabei wurde eine Reihe von Dokumenten konfisziert, die laut Mitteilung der Strafbehörde "hilfreich für die Ermittlungen" seien. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Korruption und Veruntreuung, es geht um illegale Ticketdeals bei den French Open und Bau-Ausschreibungen für Roland Garros, Austragungsort des Grand-Slam-Turniers.

Parallel zum Fußball mit seinen steten Korruptionsaffären und immer mehr Fragwürdigkeiten rund um das Thema Doping, trudelt auch der Tennissport rasant in die Krise. Bereits im Januar wurde die interne Anti-Korruptions-Einheit "Tennis Integrity Unit" (TIU) der Weltverbände der Männer und Frauen als eine Art Feigenblatt enttarnt: Internationale Wettradar-Agenturen hatten beklagt, dass die TIU systematisch ihre Hinweise auf Auffälligkeiten ignoriere. Nun ermitteln ein britischer Parlamentsausschuss und Australiens Polizei.

Dann flog auf, dass der Weltverband ITF bereits 2015 ganz diskret zwei internationale Referees gesperrt hatte, einen sogar lebenslang, und vier weitere wegen Manipulationsverdachts untersucht. Wenig später räumte die Branchen-Königin Maria Scharapowa den Dauergebrauch des Herzmittels Meldonium ein, das Anfang 2016 auf die Doping-Verbotsliste gerückt ist - und auf das sie positiv getestet wurde.

Nun die French Open, die am 22. Mai in Paris beginnen. Im Zentrum der Affäre steht Frankreichs Verbandschef Gachassin. Er soll über Jahre hinweg seine Ticketkontingente, Hunderte von Eintrittskarten für das Grand-Slam-Turnier, über die Reiseagentur eines Freundes in seiner südwestfranzösischen Heimat veräußert haben. Im Gegenzug für das lukrative Geschäft soll der frühere Rugby-Spieler Gachassin unter anderem jahrelang freien Zugang zum traditionellen Sechs-Nationen-Turnier erlangt haben. Auch werden Gachassin, der alle Vorwürfe zurückweist, der persönliche Umgang mit Vertretern just der Firma angelastet, die in offener Ausschreibung den Zuschlag für die Modernisierung von Roland Garros erhielt. In den Fokus gerät zudem der Gebrauch zweier Dienstwagen, einer mit Chauffeur.

Seit Herbst 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft auf der Basis von Anschuldigungen, die in einem anonymen Brief erhoben wurde. Pikanterweise hatte Gachassin im Februar im Zuge eines Machtkampfs den langjährigen FFT-General Gilbert Ysern gefeuert. Der auch Turnierdirektor in Roland Garros war.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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