Tennis:Neuer Stern im Kosmos

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Herrliche beidhändige Rückhand: Alexander Zverev schlägt sich in Hannover für sein Davis-Cup-Debüt am Freitag ein. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Als jüngster Tennisspieler seit Boris Becker gibt Alexander Zverev, 18, sein Debüt im deutschen Davis-Cup-Team.

Von Gerald Kleffmann, Hannover

In diesen Tagen hat Alexander Zverev, den die meisten Sascha nennen, viele Interviews gegeben und Termine gehabt, er stand vor Fächern aus Mikrofonen und Tafeln mit Sponsorennamen. Am Donnerstag fand sich der junge Mann im Gobelinsaal des neuen Rathauses in Hannover ein. Er sah neugierig aus einerseits, andererseits auch nicht wahnsinnig überwältigt. "Ich bin schon ganz heiß auf das Match", hatte er zuvor in sachlichem Ton verraten, "wir haben ein Superteam und verstehen uns alle gut."

Bislang hat Zverev jede rhetorische Hürde routiniert gemeistert. "Er besitzt die Gabe, dass er Erfahrung hat, ohne Erfahrung wirklich gesammelt zu haben", schwärmt sein Manager Patricio Apey. Wie ein Haudegen der Branche kommt Zverev manchmal rüber, dabei ist er genau das Gegenteil. Als jüngster Tennisspieler seit Boris Becker gibt er nun mit 18 Jahren sein Debüt im deutschen Davis-Cup-Team. Das empfängt ab diesem Freitag Tschechien in der ersten Runde der Weltgruppe. Zverevs Nominierung darf man eine Zäsur im hiesigen Tenniskosmos nennen.

Das Erstaunliche dabei ist, dass die Präsenz dieses 1,98 Meter großen Schlakses gar nicht mehr so erstaunlich ist. Die Wertschätzung der Öffentlichkeit und der Branche ist bereits seit zwei Jahren viel größer, als es seine Erfolge vermuten lassen. Er ist ja kein 17 Jahre alter Wimbledonsieger wie Becker, der in Hannover anwesend sein und für seine Verdienste im wichtigsten Länderwettbewerb geehrt wird: Mit dem 48-Jährigen gewann der Deutsche Tennisbund (DTB) zweimal den Cup. Allerdings waren Zverevs Leistungen doch so bemerkenswert, um Interesse auf sich zu lenken: Halbfinale beim Turnier in Hamburg als spindeldürrer Jüngling vor zwei Jahren, Siege gegen Top-20-Profis, jüngster Spieler in den Top 100, Auszeichnung der Männertour ATP als kommender Mann, Star of Tomorrow. "Er kann in die Top Ten kommen", sagt Niki Pilic, 76, der Grandseigneur der deutschen Davis-Cup-Historie, der wie im vorigen Jahr dem DTB-Teamchef Michael Kohlmann assistiert.

Zverev könnte die Prognose erfüllen. Im Weltranking ist er bereits 58., zuletzt schlug er den französischen Weltklassemann Gilles Simon sowie US-Open-Champion Marin Cilic aus Kroatien. "Ich bin ein anderer Spieler als noch vor einem Jahr", sagt Zverev. Seine Schultern sind breit wie bei einem 100-Meter-Sprinter. "Er ist ein toller Lerner", hebt Apey eine von Zverevs Fähigkeiten hervor. Vor zwei Jahren heuerten sie Jez Green an, einen renommierten Fitnesscoach, der schon den Wimbledon- und US-Open-Sieger Andy Murray trimmte. Das zahlt sich aus.

Zverev auf seinen harten Aufschlag zu reduzieren, seine Vorhandpeitsche und seine herrliche beidhändige Rückhand dazu, greift aber zu kurz. Zverev muss man als Gesamtkunstwerk sehen, als eine Art Phänomen. Er bringt viel mehr mit, als ein technisch begabter Jungprofi zu sein. Er hat das ganze Paket, wie Manager wie Apey sagen. Aber der Chilene mit dem stilvollen Äußereren formuliert das natürlich eleganter: "Als ich ihn 2012 das erste Mal traf und wir redeten, sagte ich, wenn du nicht als Tennisprofi Erfolg hast, wirst du eben Model für eine große Agentur."

Apey sagt das mit fast britisch anmutendem Wortwitz, aber ihm ist es sehr ernst. Seine Anekdote soll heißen: Zverev hat das gewisse Etwas. Das bei der Arbeit rüberkommt und auf Bildern. Das Menschen bewegt, interessiert, fasziniert. Es ist manchmal offensichtlich, dass Zverev das alles weiß, wenn er etwa wie ein Pfau flaniert und die Blicke genießt. Aber das ist in Ordnung. Zur Begabung und dem einnehmendem Aussehen kommt ja noch was hinzu: Er ist ehrgeizig - wie im Grunde seit Becker kein Deutscher mit Schläger mehr.

Er arbeitet hart und viel, aber er kann auch fluchen und schimpfen, Schiedsrichter anmaulen, den Schläger werfen. All das wird freilich weniger. Aber Zverev, das ist eine gute Nachricht fürs deutsche Tennis, akzeptiert keine Niederlage, er hat Biss, wehrt sich, und seine zunehmende Zahl von Siegen bestätigt seine Entwicklung. Natürlich profitiert er von seinen Eltern Irina und Alexander, die aus Russland stammen und gute Tennisspieler waren; der Vater spielte sogar selbst im Davis Cup. Und besonders profitiert er von seinem Bruder Mischa, der noch auf der Tour aktiv ist und mit seinen 28 Jahren viele Erfahrungen an seinen Bruder weitergeben kann.

Wirklich beeindruckend ist, dass der Teenager Zverev Druck und Erwartungen problemlos aushält, ja selbstbewusst damit spielt. Als er in Melbourne in der ersten Runde auf Murray traf, sagte er cool: "Das Los ist schon okay." Er verlor in drei Sätzen und wirkte kurz getroffen. Man darf das nicht anmaßend finden. Für ihn war es ein Match, das er eben nicht gewann.

"Er hat das, was Stars ausmacht", findet sein Manager

Im vorigen Jahr sandte einer der gewieftesten Manager im globalen Sport eine Botschaft. Er fände Zverev klasse, sagte der Amerikaner Max Eisenbud, der Maria Scharapowa zur reichsten Tennisspielerin gemacht hat. Dem Vernehmen nach soll dieses Anbaggern bei Apey nicht gut angekommen sein, der will seine Perle ja schützen, im eigenen Interesse. "Ich wäre schockiert, wenn Manager Sascha nicht gerne managen würden", sagt Apey nun gelassen: "Er hat eben das, was Stars ausmacht." Aufgestellt ist er schon wie einer: Manager aus London, Wohnsitz Monte-Carlo, den größten deutschen Sporteinkleider als Sponsor, abgeworben von der US-Konkurrenz. Deutschland darf sich den jungen Mann nun ansehen: Nach dem Eröffnungseinzel zwischen Philipp Kohlschreiber und Lukas Rosol spielt Zverev gegen Tomas Berdych, den Weltranglisten-Siebten. "Ich gehe davon aus, dass uns Philipp in Führung bringt. Mit so einem Spielstand wäre es einfacher für mich", sagt er abgeklärt vor seinem Debüt.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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