Tennis:Neue Saiten

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Zum Start in die Tennis-Saison sind auffallend viele Spielerinnen gehandicapt. Das lenkt den Blick unter anderem auf Angelique Kerber, die beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres als Nummer sieben gesetzt ist.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Torben Beltz stand vor dem Schalter mit dem Schild "Tournament Control" und setzte ein ernstes Gesicht auf. Der Coach hatte eine schlechte Nachricht. Angelique Kerber habe nicht so gut trainiert, es laufe nicht gut, es zwicke hier und da. Für die Teilnahme der Weltranglisten-Siebten an den Australian Open sehe er schwarz. Pause. Dann fing Beltz zu grinsen an und meinte trocken: "Was soll ich sagen? Es läuft doch alles gut, ehrlich."

Und Sydney? Kerbers Rückzug vor ihrem zweiten Turnier-Match vergangene Woche? Nach dem verlorenen Finale in Brisbane und einem zehrenden Auftaktmatch in Sydney habe Kerber sich ausgelaugt gefühlt, zusätzlich schwächte sie eine Magenverstimmung, erklärte Beltz. Und weiter: "Wir sind bereit!"

Für Kerber sind das gute Nachrichten. Und dem Turnier helfen sie auch. Zuletzt hatte sich der Eindruck aufgedrängt, dass der Frauenwettbewerb doch arg ausgedünnt sei - weil derart viele Topspielerinnen verletzt und/oder müde sind. "Die Top Ten kämpfen ein bisschen mit sich", registrierte die Weltranglisten-Zweite Simona Halep aus Rumänien. Die 24-Jährige leidet selbst an einer Achillessehnenreizung. Die Weltranglisten-Dritte Garbiñe Muguruza aus Spanien zieht mit Schmerzen im Fuß ins erste Grand-Slam-Turnier der Saison. Für das Einspielen in Sydney sagten Petra Kvitova aus Tschechien und Agnieszka Radwanska aus Polen kurzfristig ab. Serena Williams präsentierte sich - immer noch sichtlich mitgenommen vom verpassten Saison-Grand-Slam 2015 - zerknirscht, schlapp und wortkarg.

Maria Scharapowa gab an, sie sei nach einer verletzungsbedingten Pause wieder fit, stapelt jedoch tief: "Ich muss meine Erwartungen sehr niedrig halten." Damit ist die Russin zum Glück nicht allein, denn bei der Wimbledon-Finalistin Muguruza hörte sich das ziemlich ähnlich an: "Es ist ein neues Jahr. Jede fängt bei Null an. Ich habe echt keine Erwartungen."

Profis betreiben mit solchen Sätzen gerne Druckabbau. In der Summe war das Bild dieses Mal aber doch ungewöhnlich. Jede, die nur etwas realistische Zuversicht ausstrahlte, fiel da zwangsläufig auf. Die Weißrussin Viktoria Asarenka etwa, die schon 2012 und 2013 in Melbourne siegte, schwärmte von der Energie, die die Metropole auf sie übertrage. Seitdem gilt sie mindestens als Geheimfavoritin.

Und dann war da ja noch der Schlaks Beltz. "Vielleicht ist bei der einen oder anderen auch ein bisschen Pokern dabei", sagte er vorsichtig und zugleich verschmitzt, schließlich hätten alle ja nur ein Ziel: Bei den Australian Open in Bestverfassung zu sein. Für Kerber kann er versichern: Die 27-Jährige sei voll belastbar, mit ihren neuen Saiten habe sie sich auch eingespielt. Dann nahm Beltz sechs Turnierbälle in die Hand und verstaute sie in der Tasche. Die Chefin rief zum Training.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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