Tennis:Jubelnd auf die Knie

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"Der Sieg war sehr wichtig für mich": Rafael Nadal hat zum zweiten Mal nach 2008 das ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum gewonnen. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Der zuletzt kriselnde Rafael Nadal steigert sein Spiel von Runde zu Runde und belohnt sich in Hamburg mit dem Turniersieg.

Von JÖRG MARWEDEL, Hamburg

Der Tag des Finales beim ATP-Turnier am Rothenbaum begann für Direktor Michael Stich schwungvoll. Weil Rafael Nadal am Morgen keinen Sparringspartner für das Abschluss-Training fand, sprang der frühere Wimbledon-Sieger für 45 Minuten ein. "Wir sind ja", flachste der 46-Jährige, "eine Full-Service-Agentur." Danach wurde es für ihn ungemütlicher. Während er noch in Tennis-Klamotten die Abschlusspressekonferenz wahrnahm und natürlich "guten Sport" gesehen haben wollte, fällte der Sprecher des Hauptsponsors bet-at-home, Claus Retschitzegger, neben aufmunternden Worten ein hartes Urteil: Das ehemalige Masters-Turnier, das 2009 zum 500er der World Tour herabgestuft wurde, sei diesmal mit seinem Teilnehmerfeld "an der Schmerzgrenze zum 250er" angekommen, meinte er.

Stich widersprach dieser These. Es sei Pech gewesen, dass in David Ferrer der Weltranglisten-Siebte und in Gilles Simon der Elfte wegen Verletzung absagen mussten. Es wird aber offenbar eine schwierige Nummer, den derzeitigen Hauptsponsor, mit dem der Vertrag ausläuft, nach fünf Jahren zu halten. Dabei hatte das österreichische Unternehmen erheblich dazu beigetragen, dass wenigstens Nadal dabei ist. Wie vor zwei Jahren Roger Federer, sorgte diesmal "der größte Sandplatzspieler aller Zeiten" (Stich) für Aufsehen.

Alexander Zverev könnte bald zum Davis-Cup-Team stoßen

Der Kampf des häufig verletzten Spaniers gegen die jüngste Dauerkrise (er war auf Rang zehn abgestürzt) und seine Popularität in der Hansestadt halfen dem Turnier soweit, dass es nach seiner Rückstufung mit 71 200 Zuschauern die zweitbeste Besucherzahl erreichte - auch, weil Nadal von Spiel zu Spiel besser wurde. Nur vor zwei Jahren waren es mit 75 000 mehr. Ob Stich auch als Übungspartner Nadal Glück gebracht hat, blieb lange ungewiss, ehe der Spanier nach 2:34 Stunden mit 7:5, 7:5 gegen Fabio Fognini gewonnen hatte. Das Duell mit dem von Stich als "einer der wenigen Charaktere auf der Tour" bezeichneten Italiener, der nicht nur gut spielen, sondern auch polarisieren kann, war eines der besten seit langem in Hamburg. Die beiden Rothenbaum-Gewinner (Nadal 2008, Fognini 2013) lieferten sich atemberaubende Ballwechsel, viele Breaks und manche Wendungen. Am Schluss reckte Nadal beide Arme in die Luft, ehe er bei seiner Dankesrede einen Krampf im Oberschenkel erlitt. Wie froh er war, zeigte der abgekämpfte Altmeister mit dem Satz: "Ich bin froh, eines der wichtigsten Sandplatzturniere der Welt gewonnen zu haben." Das wird Stich sehr gefallen haben. Und tatsächlich hatte das Match erinnerte das Niveaus dieses Finals an frühere Zeiten, als Hamburg noch eine der bedeutsamsten Veranstaltungen war. Nadals sportlicher Lohn vor den US Open neben dem Lohn für den Turniersieg (311 775 Euro): Er klettert in der Rangliste mit dem 67. Titel von Platz zehn auf neun.

Die prekären Bedingungen des Rothenbaum-Turniers und die Krise der deutschen Männer (erstmals kein Top-40-Spieler seit 30 Jahren, erstmals seit 2009 kein Drittrundenspieler am Rothenbaum) werden trotzdem weiter ein Thema sein. Immerhin bekannte DTB-Präsident Ulrich Klaus in Hamburg, er könne sich auch nach Ablauf des 2018 mit der ATP auslaufenden Vertrages weiter eine Zusammenarbeit mit Stich vorstellen. "Wir gehen sehr sachlich und respektvoll miteinander um", sagte er. Das war offenbar nicht immer so. Als Stich im vergangenen November selbst DTB-Präsident werden wollte, hatte der pensionierte Pädagoge, der dem Hamburger angeblich den Posten des Vize-Präsidenten anbieten wollte, nach Stichs Aussage ernsthafte Gespräche verweigert. Was das Sportliche angeht: Der Hamburger Alexander Zverev, 18, der im Vorjahr bis ins Halbfinale vorstieß und nun in Runde eins gegen Tommy Robredo ausschied, ist längst die große Hoffnung des deutschen Tennis. Die in Moskau geborene Begabung, der nicht nur Nadal den Aufstieg unter die Top Ten der Welt zutraut, ist womöglich schon beim Relegationsspiel um den Verbleib in der Weltgruppe des Davis Cup in der Dominikanischen Republik (18. bis 20. September) eine Alternative. Michael Kohlmann, seit Februar Kapitän des Davis-Cup-Teams, deutete dem Hamburger Abendblatt an, dass Zverev dort erstmals zum Einsatz kommen könnte. Er sei "ein Ausnahmespieler mit einem perfekten Umfeld und der Gabe, sich vom immensen Druck der Öffentlichkeit nicht zu sehr beeindrucken zu lassen".

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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