Tennis:Hüne auf Storchenbeinen

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Ein großes blaues Glas: Der Hamburger Alexander Zverev mit seinem Mitbringsel vom Turnier in Nizza. (Foto: imago/Panoramic)

Sein erstes Finale: Sascha Zverev glückt in Nizza der nächste wichtige Schritt - auch wenn er nach dem Finale gegen den Österreicher Dominic Thiem als Verlierer dasteht.

Von Philipp Schneider, Nizza/Paris

Manch einer wird sich daran erinnern, dass jenes kleine Gute-Laune-Turnier an der Côte d'Azur fast schon einmal der Startpunkt einer großen deutschen Karriere gewesen ist. Vor 23 Jahren spielte ein 23-jähriger Diplomatensohn in Nizza das Finale seines Lebens. Manch einer mag sich nun auch wieder daran erinnern, dass der Diplomatensohn in der Sonne von Nizza auf dem Kopf ein Käppi trug, dessen Schirmchen er stets raffiniert in Richtung Nacken wendete, sodass es garantiert keinerlei Schatten auf die Augen werfen konnte. Auf der anderen Seite des Netzes stand Ivan Lendl. Aber der bewegte sich am 12. April 1993 so schwerfällig wie ein russischer Panzer. Und nachdem Lendl also ein Jahr vor dem Karriereende fertig gerumpelt und gerattert hatte, feierte der Tennisprofi Marc-Kevin Goellner den ersten Turniersieg seiner Karriere.

Zverev gegen Thiem - das Duell dürfte es künftig noch einige Male geben

Nun verbietet sich ein Vergleich zwischen Alexander Zverev und Goellner insofern, als Zverev am Samstag sein erstes Finale auf der ATP-Tour in Nizza verlor. Und abgesehen davon, dass Zverev das Stirnband einer verkehrt herum aufgesetzten Baseballmütze stets vorziehen würde, hat der 19-Jährige nach Lage der Dinge eine große Karriere vor sich, während Goellner längst eine kleine hinter sich gebracht hat.

In Nizza musste Zverev zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen gegen den drei Jahre älteren Österreicher Dominic Thiem antreten, zum zweiten Mal verlor er in drei Sätzen. Diesmal aber wurde es gegen Ende eines 4:6, 6:3, 0:6 zu einer recht deutlichen Angelegenheit: Im letzten Satz machte Zverev gerade mal fünf Punkte.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann standen sich in Nizza zwei Hochbegabte gegenüber, die es auf der ATP-Tour noch öfters miteinander zu tun bekommen werden: Zverev, der Hüne mit den Storchenbeinen, der in seinem Repertoire einen krachenden Aufschlag und eine präzise, wenngleich ebenfalls krachende Rückhand hat. Und der athletische Thiem, dessen bester Schlag eine Vorhand mit brutalem Spin ist. Thiem ist in seiner Entwicklung etwas weiter: Er feierte seine ersten Erfolge schon im vergangenen Jahr, als er die ersten drei von inzwischen sechs Turniersiegen feierte. Zverev steht dagegen noch am Anfang, aber sein Gedeihen ist rasant: In Rotterdam stand er im Viertel- finale, in Montpellier und München im Halbfinale - und nun zog er in Nizza in sein erstes Finale ein. Nach dem Matchball fiel er Thiem in die Arme, die zwei sind befreundet, weswegen sie sich etwas Zeit nahmen, um sich entsprechend gegenseitig zu loben. "Sascha, du wirst deinen ersten Titel schon sehr bald gewinnen, davon bin ich überzeugt", sagte Thiem. Und Zverev erwiderte: "Du bist auf einem guten Weg in die Top 10." Sollte Thiem in Paris ins Viertelfinale vorstoßen, wäre das geschafft.

Günter Bresnik, Thiems Trainer, hatte kürzlich im SZ-Interview deutlich gemacht, dass er Zverevs Talent als noch größer erachtet als das seines Schülers. Zverev sei "besser als Dominic", befand Bresnik: "Er wird in den nächsten fünf Jahren die Nummer eins werden." Am Sonntag sind Thiem und Zverev bei den French Open in Paris eingetroffen, in der dritten Runde könnten sie schon wieder aufeinander treffen. Er sei "ein bisschen müde", sagte Zverev nach seiner langen Woche in Nizza.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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