Tennis:Heimsieg fürs Herz

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Freudensprung: Philipp Kohlschreiber bejubelt seinen Sieg in Kitzbühel, Österreich. (Foto: Barbara Gindl/dpa)

Philipp Kohlschreiber, der drittbeste deutsche Tennisspieler, steht in diesem Jahr im Schatten der Zverevs. Mit dem Sieg beim Turnier in Kitzbühel schärft er sein Profil - als Mann für die kleinen Titel.

Von Maximilian Länge, Kitzbühel/München

Philipp Kohlschreiber wird nicht zu zeitig aufgestanden sein. Er wird gemütlich etwas gefrühstückt haben, seine Sporttasche gepackt haben und sich dann auf sein Fahrrad geschwungen haben, um die wenigen Meter von seinem Haus zum Tennisplatz rollend zurückzulegen. So oder so ähnlich muss es gewesen sein, bevor er am Samstag in seiner Wahlheimat Kitzbühel den achten Einzeltitel seiner Karriere feierte.

Fünf Minuten braucht Kohlschreiber, 33, von der Haustür bis zum Sandplatzgelände, auf dem er in dieser Woche wieder einmal gezeigt hat, dass er ein Gewohnheitstier ist. Einer, der sich dort wohlfühlt, wo er sich gut auskennt, wo er die Menschen kennt, die ihm zurufen. Dort, wo er zuhause ist.

Der Portugiese Joao Sousa bekam das zu spüren, als er am Samstagnachmittag im Finale des mit 540 310 Euro dotierten ATP-Turniers versuchte, Kohlschreibers harte Grundlinienschläge zu retournieren. Es gelang ihm nur selten. Zu gut hatte sein deutscher Kontrahent sich unter der Woche in einen Rausch gespielt. Diesen hatten in den Tagen zuvor der Qualifikant Facundo Bagnis, der an Position sieben gesetzte Jiří Veselý im Achtelfinale, Dusan Lajovic im Viertelfinale und der an Zwei gesetzte Fabio Fognini im Halbfinale nicht stoppen können.

Im Finale streckte der Weltranglisten-47. nach 1:22 Stunden seine Arme in die Kitzbühler Heimatluft - und wenig später dann die große Gams, den goldenen Siegerpokal des Turniers. Mit 6:3 und 6:4 besiegte er den 15 Plätze schlechter notierten Sousa und sprach anschließend von einem Märchen: "Zu Turnierbeginn habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich hier gewinnen kann", sagte Kohlschreiber im österreichischen Fernsehen. Er sei angeschlagen in das Turnier gestartet. Vergangene Woche hatte er am Hamburger Rothenbaum das Halbfinale erreicht, dort jedoch gegen seinen langjährigen Weggefährten Florian Mayer (Bayreuth) im zweiten Satz wegen Adduktorenproblemen aufgegeben. Bei seiner insgesamt dritten Finalteilnahme im Einzel von Kitzbühel war von der Verletzung nichts mehr zu sehen.

"Ich liebe es, hier zu spielen", sagt Kohlschreiber über Kitzbühel

"Es war eine unglaubliche Woche", sagte Kohlschreiber. Er stellt seinen neuerlichen Erfolg in den Tiroler Bergen über den von 2015. Damals hatte er im Finale den Franzosen Paul-Henri Mathieu in drei Sätzen besiegt. "Ich liebe es, hier zu spielen", sagte der Augsburger Tennisprofi, als er 2016 zur Titelverteidigung antrat. "Das Stadion hat eine schöne Akustik, weil es in den Berg hinein gebaut ist. Die Alpen-Turniere, sie scheinen Kohlschreiber zu liegen. In München holte er 2007, 2012 und zuletzt im Mai 2016 den Titel.

2017 war es um Philipp Kohlschreiber leiser geworden, obwohl er immer noch der drittbeste deutsche Tennisspieler ist. Das Interesse gilt dem aufstrebenden Alexander Zverev, der zuletzt in Rom im Finale Novak Djokovic besiegte und das Wimbledon-Finale spielte. Und danach dessen Bruder Mischa. Kohlschreibers Saison lief im ersten Halbjahr eher unterdurchschnittlich. Zwar stand er im April in Marakkesch im Finale gegen den Kroaten Borna Coric, zwar knöpfte er Rafael Nadal in Indian Wells einen Satz mit 6:0 Spielen ab, zwar hatte er gegen den Weltranglistenersten Andy Murray in Dubai sieben Matchbälle, aber am Ende gewannen immer die anderen. Bis zum Samstag in Kitzbühel.

Für seinen Sieg kassierte Kohlschreiber 85.945 Euro und 250 Weltranglistenpunkte, mit denen er am Montag unter die Top 40 des ATP-Rankings zurückkehrt. Er hat sich mit den ATP World Tour 250-Turnieren arrangiert. Kleine Titel sind für ihn inzwischen mehr wert als die dritte Runde bei einem Grand Slam.

Am wertvollsten aber dürfte für Philipp Kohlschreiber das Gefühl von Gewohnheit sein. Für Turnierdirektor Alexander Antonitsch ist er der "Homeboy" von Kitzbühel. Als solcher und als zweifacher Turniersieger wird er sich wahrscheinlich am Samstagabend wieder auf seinen Drahtesel gesetzt haben, um nach Hause zu radeln.

© SZ vom 06.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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