Tennis:Es wird Zeit!

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Handtuch hier, Handtuch da - einige Tennisprofis sind versiert darin, die Zeit bis zum nächsten Ballwechsel hinauszuzögern. Weil die Schiedsrichter das viel zu selten ahnden, wird bei den US Open jetzt mit einer Shot Clock experimentiert - bisher aber nur bei den Junioren.

Von Jürgen Schmieder

Iwan Pawlow würde sich zufrieden die Hände reiben, wenn er sehen könnte, was da gerade bei den US Open passiert. Der russische Psychologe hatte im Jahr 1903 seine Forschung über Konditionierung veröffentlicht - und 113 Jahre später ist in New York zu beobachten, wie genau das funktioniert. Es braucht dazu keine Hunde, keine Glöckchen und kein Futter, sondern nur Tennisspieler und ein paar Handtücher. Sobald ein Ballwechsel beendet ist, hebt der Profi den Finger und deutet dem Balljungen dadurch an, dass er seinen verschwitzten Körper gerne abtrocknen würde.

Das ist verständlich, wer will seinen Schläger schon mit rutschiger Hand greifen? Es muss allerdings die Frage erlaubt sein, wie schnell sich so eine Hand befeuchten kann, wenn etwa Laura Siegemund nach einem Ass ihrer Gegnerin (also ohne auch nur einmal selbst geschlagen zu haben) ganz dringend ein Handtuch braucht. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass Schwitzen zu Zeiten von Herrn Pawlow noch nicht erfunden war und bis vor wenigen Jahren auch im Tennis kein Problem darstellte - oder zu eher ulkigen Reflexen führte wie dem von John McEnroe, seine Stirn mit den Schultern zu trocknen.

Das Handtuch-Ritual führt dazu, dass Ballwechsel oft kürzer sind als die Vorbereitung darauf. Die Verantwortlichen der US Open testen deshalb bei den Juniorenturnieren erstmals eine so genannte Shot Clock, wie sie im Basketball eingesetzt wird. Auf den Anzeigetafeln tickt eine Uhr von 20 Sekunden rückwärts: Wer zu lange braucht, der wird zunächst verwarnt und dann bestraft, indem es einen Punkt für den Gegner gibt. "Wir ändern die Regeln nicht, sondern nutzen Technologie für bereits existierende", sagt Stacey Allaster, beim US-Tennisverband zuständig für Profiturniere. "Wir können dieses Turnier als Brutstätte für Innovationen nutzen." Vielleicht müsste man die Profis dazu konditionieren, sich das Handtuch selbst zu holen - womöglich würde es sich mancher dann überlegen, ob er sich schon wieder trocknen muss.

Unter den Profis ist keine eindeutige Haltung zum Thema zu erkennen. Roger Federer und Nick Kyrgios etwa spielen gerne in zügigem Rhythmus, Rafael Nadal und Juan Martin del Potro hätten wohl nichts dagegen, wenn ihnen zum Handtuch noch jemand ein Getränk reichen und einen Stuhl hinstellen würde. "Ich lasse mir gerne Zeit, so eine Uhr würde mich nur nervös machen", sagt John Isner. "Ich finde, diese Entscheidung ist bei den Referees gut aufgehoben."

Ist sie das wirklich? Kaum ein Erwachsener wurde bei den US Open dazu aufgefordert, sich ein wenig zu beeilen. Nadal wurde mal verwarnt, aber damit ist er gut bedient. Der Spanier bequemte sich bei den ersten 30 Ballwechseln seiner Achtelfinal-Partie gegen den Franzosen Lucas Pouille nur ein Mal in weniger als 20 Sekunden zur Grundlinie. Persönlicher Rekord an diesem Abend: 42 Sekunden. In der Zeit hätte Ivan Pawlow all seinen Hunden beigebracht, Handtücher zu apportieren.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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