Tennis:Ende der seismischen Welle

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Am merkwürdigen Montag verlieren die French Open ihre Titelverteidigerin: Maria Scharapowa scheidet im Achtelfinale aus. Julia Görges scheitert als dritte deutsche Spielerin an Sara Errani.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Diesmal kam sie immerhin nicht in die Verlegenheit, nein sagen zu müssen, so wie in der ersten Runde dieser French Open. Vor einer Woche, sie hatte gerade die Estin Kania Kanepi besiegt, da sollte sie ein Interview auf dem Court Philippe Chatrier geben. Diese kleinen, oft witzigen Gespräche werden in Paris von früheren französischen Profis moderiert, Fabrice Santoro und Cédric Pioline zum Beispiel machen das fachmännisch und natürlich mit dem obligatorischen Oh-là-là-Charme. Maria Scharapowa, Profi erster Güte und Instanz auf der Tour, seit sie mit 17 in Wimbledon gewann, winkte allerdings höflich ab. Sie war erkältet, die Stimme lädiert, sie konnte ja nicht mal so schön stöhnen wie sonst bei ihren Schlägen. Das Publikum quittierte ihren verbalen Verzicht prompt mit Buhrufen voller Empörung. Aus wenig werden gerne an diesem Ort im Westen der Stadt und zu dieser Jahreszeit Dramen gemacht, was für sich wiederum unterhaltsam ist.

Unterhaltsamer allemal als etwa die drei Siege Scharapowas gegen Kanepi, die Russin Witalia Diatschenko und die Australierin Samantha Stosur. Die 28-Jährige glänzte nicht, sie quälte sich in einigen Phasen richtig, die sie dank ihrer Erfahrung und ihres Bisses überstand, der sich am besten in ihren giftigen Blicken ausdrückt. Bis ihr die Tschechin Lucie Safarova beim 7:6 (3), 6:4 aufzeigte, dass eine mittelmäßige Leistung einer erkälteten Nummer zwei der Welt nicht reicht gegen eine formidable und fitte Nummer 13, die kommende Woche eine Top-10-Spielerin sein wird. Das ist kein Zufall, im vergangenen Sommer hatte die 28-Jährige aus Brünn schon das Halbfinale in Wimbledon erreicht. Die Linkshänderin, die in Paris zuvor Sabine Lisicki ausgeschaltet hatte, hat nun deutlich "mehr Konstanz" in ihre harten Topspinschläge gebracht, wie auch Scharapowa auffiel. Sie selbst analysierte die Ereignisse mit fatalistischer Haltung, die Beschwerden, die sie von Runde zu Runde mitschleppte wie einen Zementsack, ließ sie nicht als Erklärung gelten. Geräusch- und klaglos ging ihre Demission vonstatten. Manchmal können bedeutsame Sportereignisse erschreckend banal wirken, und mit den Merkwürdigkeiten ging es weiter an diesem seltsamen Montag in Paris.

Non non, Mademoiselle Scharapowa: Schiedsrichter Arnaud Gabas belehrt die Titelverteidigerin, dass sie einen Fehler begangen hat. (Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

Nach dem verregneten Sonntag, als das Hauptmatch abgebrochen und zwei Duelle ganz storniert worden waren, sollte das Beben, auf das vor allem die Einheimischen hofften, nachgeholt werden. Das Motto der French Open lautete ja ab sofort: Frankreich gegen den Rest der Topspieler. Fünf Männer der Grande Nation in der Runde der letzten 16 plus Alizé Cornet aus Nizza bei den Frauen - das zweite Grand-Slam-Turnier 2015 machte seinem Namen "French Open" in dieser Phase des Turniers alle Ehre. Cornet, die von ihrem Aussehen und ihrer Körpersprache her eine Schönheit in einem Film Noir darstellen könnte, unterlag zwar am Sonntag der Ukrainerin Elina Switolina. Doch Jo-Wilfried Tsonga, der Charismatiker mit den kongolesischen Wurzeln, der von sich einfordert, endlich "mit mehr Köpfchen" zu spielen, er löste erste seismischen Wellen aus. Sein Viersatzerfolg gegen Tomas Berdych brachte ihm sein drittes Viertelfinale in der Heimat und war die Ouvertüre für das Match von Gaël Monfils, der in Paris so beliebt ist, dass ihn hier im Grunde nur einer besiegen darf: Roger Federer, der quasi über allen steht aufgrund seiner Verdienste und seiner Aura. Ihm war am Montagmittag dann auch niemand böse. Selbst Monfils lächelte nach dem Matchball.

Beim Stand von 3:6, 6:4 war dieses Duell wegen Dunkelheit tags zuvor gestoppt und also am Montag fortgesetzt worden. Monfils, der mit seinem Trainer, dem Deutschen Jan de Witt, an Taktiken gefeilt hatte und endlich einen Grand-Slam-Titel angehen will, konnte allerdings nicht mehr so beschwingt agieren wie am Abend. Auch er hatte sich im erstaunlich kühlen Paris dieser Tage erkältet. Ein potenzieller Klassiker war erwartet worden, am Ende war die Partie ein guter Vier-Akter, mehr nicht. Federer hatte, wie er einräumte, am Sonntag besonders mit den Bedingungen, dem Wind, den Wolken, die das Licht ständig veränderten, zu kämpfen; ihm, dem Großmeister des technisch sauberen Volleys, unterliefen tatsächlich leichte Fehler am Netz. Dies verursachte seinen Satzverlust. Bei der Fortsetzung führte Monfils zwar gleich 40:0, der Schweizer luchste ihm trotzdem noch das erste Aufschlagspiel ab - und dominierte fortan. 6:4, 6:1, so leicht dürfte es Federer sein Landsmann und Freund Stan Wawrinka am Dienstag nicht machen; Wawrinka beherrschte in Gilles Simon einen weiteren Franzosen klar. Und auch Jeremy Chardy verlor, in vier Sätzen gegen den Schotten Andy Murray.

Julia Görges schied nun auch aus. Nach Carina Witthöft und Andrea Petkovic bezwang die Italienerin Sara Errani die dritte deutsche Spielerin. (Foto: Dominique Faget/AFP)

Die Zuschauer werden also doch nicht mehr so oft die Marseillaise anstimmen, was sie hier ab und an tun, das Turnier geht internationaler auf die Zielgerade, indes ohne deutsche Färbung. Julia Görges schied nun auch aus. Nach Carina Witthöft und Andrea Petkovic fieselte die Italienerin Sara Errani die dritte Spielerin des DTB ab - beim 2:6, 2:6 war Görges gegen die Paris-Finalistin von 2012 weit entfernt von ihren Leistungen zuvor.

45 Fehler waren "zu viele", wie die 26-Jährige erkannte, "ich habe mir selbst die Chance genommen". Sie lobte aber auch Errani: "Sie kocht die Spieler ab", sprach sie und gestand, gegen das 1,64-Meter-Energiebündel sei man "am Rande des Wahnsinns".

Genau dazu soll es am Mittwoch übrigens kommen - bei den Männern. Das Duell, auf das die Tenniswelt wartet, ist seit Montagabend perfekt: Der Spanier Rafael Nadal wackelte kurz gegen den Amerikaner Jack Sock, eher er 6:3, 6:1, 5:7, 6:2 siegte. Novak Djokovic zeigte beim 6:1, 6:2, 6:3 gegen Richard Gasquet, den letzten der fünf französischen Vertreter im Achtelfinale, dass er bereit ist für den neunmaligen Paris-Champion. "Oui, ich bin aufgeregt", sagte der Serbe, "gegen ihn auf Sand zu spielen, ist die größtmögliche Herausforderung."

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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