Tennis:Die Frau auf der Briefmarke

Lesezeit: 2 min

Beeindruckt mit zermürbendem und energischem Spiel: die Lettin Jelena Ostapenko. (Foto: Hasenkopf/imago)

Jelena Ostapenko zeigt in Stuttgart, warum sie auf Sand eine der Besten ist.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Den ersten Aufschlag hatte sie wuchtig ins Netz gehauen. Übermütig und ungeduldig angesichts dessen, was danach auf sie wartete - und ein bisschen auch deswegen, weil die Tennisspielerin Jelena Ostapenko eigentlich gar nicht anders kann, als ihre Schläge wuchtig zu hauen. Im Idealfall natürlich über das Netz. Aber bei diesem Schlag wusste sie gut genug, dass das Reglement ihr bei dem ersten von drei Matchbällen noch eine weitere Chance gab, und die nutzte sie umso konsequenter. Genauso wuchtig, aber weniger übermütig, schlug sie zum zweiten Mal auf. Ihre Gegnerin Zarina Diyas konnte gar nicht anders: ihre Antwort landete im Aus. Damit war das Turnier in Stuttgart für die Kasachin beendet - wie auch für die zweimalige Siegerin Angelique Kerber, die gegen die Estin Anett Kontaveit beim Stand von 0:6, 0:2 verletzt aufgab. Laura Siegemund verpasste gegen Coco Vandeweghe (USA) ebenfalls die nächste Runde. Für Ostapenko aber scheint das Turnier gerade erst so richtig begonnen zu haben.

"Auftaktmatches sind immer schwer, aber heute lief es wirklich gut", sagte Ostapenko. "Es fühlt sich toll an, wieder auf Sand zu spielen. Der Platz hier ist sehr schnell, das passt zu meinem Spiel. Hoffentlich kann ich mich hier gut schlagen." Die 20 Jahre alte Lettin lächelte nach ihrem 6:3, 6:0-Sieg ein fast schon schüchternes, sehr zufriedenes Lächeln, das ihre nächste Gegnerin Karolina Pliskova eher warnen sollte. Es war jene Art von Lächeln, die sagt: Aufwärmen hat geklappt, von mir aus kann es jetzt los gehen. Und vermutlich entsprach dieses Lächeln dem Innenleben der Weltranglistenfünften.

Das Selbstbewusstsein von Jelena Ostapenko hat vor bald einem Jahr eine überraschende Steigerung erfahren, die selbst die von sich selbst überzeugte Spielerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet hatte und davon etwas überrollt worden war. Sie ist eine der Spielerinnen, die im vergangenen Jahr die Vakanz einer fest etablierten und dominierenden Favoritin nutzte. Beim ersten Grand-Slam-Turnier in Australien triumphierte noch Rekordchampion Serena Williams, schwanger, um sich dann für ein paar Monate aus dem Tenniszirkus zurückzuziehen.

In Paris spielte Jelena Ostapenko die Vorhand schneller als Murray

Als nächstes großes Turnier standen die French Open in Paris an - der Durchbruch von Ostapenko, die als Ungesetzte den Titel holte. Die Vorhand spielte sie im Schnitt schneller als Andy Murray und nur ein bisschen langsamer als Rafael Nadal. Ostapenko beeindruckte mit ihrem zermürbenden, schnellen, konsequent energischen Spiel. "Für mich hat sich danach so viel geändert. Bei jedem Turnier galt ich auf einmal als Favoritin", sagte Ostapenko nach ihrem Einzug ins Viertelfinale beim Porsche Tennis Grand Prix - bei dem sie auch zum Kreis der Titelkandidatinnen gezählt wird. "Ich habe mich ziemlich gut gefühlt nach Paris, aber dieses Jahr ist schwieriger, der Druck ist noch höher."

Bei fast allen Wettbewerben schied sie früh aus, bis sie es in Miami vor einem Monat ins Finale schaffte. Nur die ebenfalls überraschende US-Open-Siegerin von 2017, Sloane Stephens, war besser. Beim Fed-Cup gegen Russland vergangenes Wochenende trug Ostapenko mit zwei gewonnenen Einzeln maßgeblich zum 3:2-Sieg und einer erneuten Steigerung ihres Selbstbewusstseins bei. Ob ihrer Erwartungen an Stuttgart hält sie sich zurück. Die Lettin hat gelernt, mit dem eigenen und öffentlichen Anspruch umzugehen - der in ihrem Heimatland enorm ist. Sie ist Volksheldin, der eine Briefmarke gewidmet worden ist: Die ersten 55 000 Stück waren nach einem Tag ausverkauft.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: