Tennis:Der Star ist die Anlage

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Bei all den Querelen im deutschen Davis-Cup-Team sorgte er für einen guten Auftakt gegen Polen: Jan-Lennard Struff gewann gegen Kamil Majchrzak . (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Trotz gelungener Spiele: Die Davis-Cup-Relegation in Berlin wird überlagert von Absagen, Dissonanzen und Animositäten.

Von Gerald Kleffmann, Berlin

Wenn Werner Ellerkmann von seinem Lawn-Tennis Turnier-Club Rot-Weiß spricht, rückt er einem fast bis zur Nasenspitze auf die Pelle. Vor Begeisterung. "Wir sind ein einmaliger Verein", sagt der frühere Banker, "hier haben alle aufgeschlagen, Moldenhauer, Henkel, Aussem, Becker", zählt er auf, "und Gottfried von Cramm". Der Weg im villengeschmückten Grunewald, der zum LTTC führt, trägt den Namen des in den Dreißigern als "Tennisbaron" gehuldigten eleganten Spielers.

Kein Verein in Deutschland repräsentiert mehr Tennisgeschichte, auch Steffi Graf siegte auf dem Center Court mit Blick auf den Hundekehlesee, neun Mal bei den German Open, das Stadion ist nach ihr benannt. Typisch für deutsche Tennisgeschichte sind aber nicht nur Triumphe, sondern auch beizeiten Machenschaften und Misswirtschaft, und so verlor Rot-Weiß nach dem Verlust des Frauenturniers 2008 an Bedeutung. Vor vier Jahren übernahm Ellerkmann die Aufräumarbeiten als Präsident, er holte den ehemaligen Profi Markus Zoecke als Sportdirektor.

"Wir haben 500 neue Mitglieder", sagt der Präsident und, noch stolzer: "Jetzt ist hier zum 29. Mal Davis Cup." Gestern bedeutungslos, heute Gastgeber des bis Sonntag stattfindenden Weltgruppen-Relegationsspiels der DTB-Männer gegen Polen, das empfinden sie beim LTTC als Coup. Die Anlage knüpft für drei Tage tatsächlich an ruhmreiche Zeiten an und ist der eigentliche Star. Wofür die deutschen Profis, die in Berlin antreten, nichts können. Und sie leisteten am Freitag gute Arbeit. Jan-Lennard Struff, Weltranglisten-67., besiegte Kamil Majchrzak (277.) 6:7 (8), 6:3, 5:7, 6:2, 6:1, Florian Mayer (59.) gewann 1:6, 7:6 (6)

, 6:4, 7:5 gegen Hubert Hurkacz (329.). Am Haupteingang hängen Plakate, Philipp Kohlschreiber und Alexander Zverev sind darauf zu sehen, ebenso auf dem Titel des Programmhefts. Dabei fehlen die zwei besten deutschen Profis. Schon das zeigt, dass etwas schieflief. Selbst wer den Protagonisten wohlgesonnen begegnen wollte, kam nicht umhin, sich zu wundern, wie wochenlang aus harmlosen Abstimmungsfragen kaugummihafter Klärungsbedarf entstand. Wer den Protagonisten neutral begegnete, kam nicht umhin, Dissonanzen und Animositäten zu verorten.

Gestern bedeutungslos, heute Davis-Cup-Gastgeber - das gilt beim LTTC Rot-Weiß als Coup

Es ist verblüffend, wie regelmäßig sich die deutschen Männer ein Bein stellen - zumindest für den Berliner Davis-Cup-Auftritt standen die Vorzeichen günstig. Nach Querelen zum Ende der Amtszeit von Patrik Kühnen und Querelen unter Teamchef Carsten Arriens, die beide über Auseinandersetzungen mit Kohlschreiber stolperten, präsentierte der seit Februar 2015 verantwortliche Michael Kohlmann im März in Hannover ein harmonisches Team. Trotz der Erstrunden-Niederlage gegen Tschechien blieb zarte Aufbruchstimmung zurück. In der vorigen Woche erfreute Angelique Kerber den mitgliederstärksten Verband mit ihrem zweiten Grand-Slam-Titel der Saison, bei den US Open. Tennis war im Gespräch - und positiv belegt. Ein schönes Fundament, doch das Windschattenfahren hinter Kerber und den erfolgreicheren Frauen will den Männern nicht gelingen. Sogar die englischsprachige Presse schrieb nun, drei deutsche Davis-Cup-Spieler seien rausgeflogen für 2017, was so nicht stimmt. Beim plakativen Blick gehen Nuancen eben unter.

Strategisch war die Wahl mit dem historischen LTTC eine gute Idee. Doch nach der Bekanntgabe im Juli war ein Grummeln zu hören. Dem Vernehmen nach störten sich Kohlschreiber, 32, und Zverev, 19, am Sand-Belag in der Hartplatzsaison. Auch fühlten sie sich offenbar zu wenig in die Wahl eingebunden. Kohlschreiber, früher oft missverstandene Reizfigur, hat längst einen Modus gefunden, wie er seine Erwartungen als Einzelathlet mit den Erwartungen des Verbandes verbindet; er sagte zu, spielte Olympia, schon da plagte ihn seine Fußverletzung, die ihn im letzten Moment zum Rückzug für Berlin bewog.

Zverev dagegen hatte mal einen Modus gefunden, er nahm Wildcards für deutsche Turniere dankend an und bekommt vom DTB Geld für einen Physio. Er ist die große Hoffnung nach Jahren der Talente-Flaute. In Hannover gab er ein teils umjubeltes Davis-Cup-Debüt, dem jedoch ein lustloser Auftritt beim Heimturnier in Hamburg im Sommer folgte, Turnierchef Michael Stich war nicht erfreut. Zverevs Absage für Olympia kam dann ähnlich lapidar daher, und spätestens als er Kohlmann bezichtigte, nicht mit ihm geredet zu haben wegen Berlin, was der klar zurückwies, hatte Zverev seinen Imageschaden manifestiert. Der DTB auch. Es ging in verschiedenen Kommentaren längst nicht mehr um Inhalte, sondern oft nur darum, wer wo was gesagt hat und was wie falsch rüberkam.

Hans-Jürgen Pohmann, verdienter deutscher Davis-Cup-Veteran und Pressesprecher des DTB, kritisierte in einem Zeitungsinterview harsch die Einstellung Zverevs, der zuvor auch den jetzigen Davis-Cup-Einsatz ausgeschlossen hatte - er sei überspielt. Beim DTB war man verstimmt über Pohmanns Vorstoß. Bei der Suche nach Spielern für Berlin handelte sich Kohlmann Absagen ein, auch von Dustin Brown. Mit einer kleinen Bemerkung hinterließ Kohlmann den Eindruck, Brown setze falsche Prioritäten, er lasse den Davis Cup wegen eines kleinen Challengers aus.

Brown, der dem DTB weitaus weniger schuldet als Zverev, als Selfmade-Profi ohne jede vorherige Unterstützung nämlich nichts, feuerte im Internet zurück; er ist sehr aktiv im Netz und hat eine riesige Fangemeinde. Er habe sich in Rio beim Einsatz für Deutschland verletzt, er brauche Weltranglistenpunkte. Es heißt gar, es habe heftigen Streit und nicht so feine Worte des einen oder anderen untereinander gegeben. Auch Zverev bekam von Brown eine mit: "Auch ist es mehr als merkwürdig, dass Spieler, denen der Belag und das Datum nicht passt, plötzlich überspielt sind."

Wie auch immer. Es gibt jetzt den neuen DTB-Fahrplan, Spieler, die Challengerturniere oder kleine Events dem Davis Cup vorziehen, für eine Saison nicht zu berücksichtigen, sofern sie sportlich in Frage kämen. Er wurde von Vize Dirk Hordorff am Donnerstag publik gemacht, was bei Kollegen nicht nur gut ankam. Präsident Ulrich Klaus fand das "zum falschen Zeitpunkt" kommuniziert, nächste Woche werde "alles aufgearbeitet", sagte er, bestätigte aber im Grunde Hordorff: "Es gibt einen Beschluss, der kann nur durch einen neuen Beschluss aufgehoben werden." Kohlmanns Vertragsverlängerung ist überdies intern abgenickt, die offizielle Bekanntgabe wird aber auch noch zurückgehalten. Man wolle erst mal Ruhe, heißt es, und das Team in den Vordergrund stellen. Brown, Mischa Zverev und Tobias Kamke, die wegen kleiner Turniere absagten, werden 2017 indes kaum im Davis Cup auflaufen.

Florian Mayer, 32, der auf seine Art derart über den Dingen steht, dass er nach den US Open eine Woche den Schläger weglegte und wandern war, sprach wohl den besten Satz zu den so oft beim Thema Davis Cup aufkeimenden atmosphärischen Störungen: "Es ist unnötig und nervt."

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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