Tennis:Denkverbote in Sotschi

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Julia Görges und Sabine Lisicki beginnen im Fed Cup fürs deutsche Team, das gegen Russland Favorit ist. Doch Andrea Petkovic und Angelique Kerber könnten am Sonntag trotzdem noch im Einzel antreten.

Von Gerald Kleffmann, Sotschi/München

Leo Tolstoi hätte zu Wochenanfang helfen können, Andrea Petkovic hatte gar kurz überlegt, das Buch "Krieg und Frieden", das sie wirklich liest, an der Passkontrolle zu zücken - um als Fan des russischen Autors aufzufallen und das Prozedere beschleunigen zu können. Sie hat es gelassen, Tolstoi war letztlich nicht nötig. Nach 15 Minuten war sie durch und stieß zur vorgereisten Mannschaft, die mit der Nachzüglerin indes nicht vollständig war. Angelique Kerber traf erst am Mittwoch zum Fed-Cup-Team, nach dem Sieg in Charleston betrug ihre Route: Washington - Frankfurt - Posen - München - Istanbul - Sotschi. Zwei Tage war Kerber auf Achse, ihr Gepäck ging verschütt, aber dank offizieller Hilfe erhielt sie es. Ulrich Klaus, als neuer DTB-Präsident bemüht, dass nicht mehr Krieg, sondern nur noch Frieden im weltgrößten Verband herrscht, brachte die in der Türkei verlorengegangenen Stücke mit. Das war nett, nur hätte sich Klaus dabei nicht so sehr beeilen müssen.

Petkovic und auch Kerber spielen ja erst mal nicht. Julia Görges und Sabine Lisicki spielen. Das ist einerseits eine Überraschung. Andererseits aber nicht.

Das Halbfinale steht an, Deutschland spielt in Russland, Tschechien in Ostrau gegen Frankreich. "Wir werden wiederkommen und dieses Scheißding gewinnen", das ist, wie Rittner nach der Finalpleite 2014 gegen Tschechien rief, der neue Masterplan. In Prag war die Generation Petkovic-Kerber-Lisicki-Görges nah dran am ersten deutschen Triumph seit 1992, nun hat sich eine Perspektive aufgetan, um dieses Scheißding schon 2015 zu holen. Ohne die formsuchenden Maria Scharapowa und Ekaterina Makarowa im russischen Team sieht Rittner ihre Auswahl "vermeintlich in der Favoritenrolle"; Swetlana Kusnezowa (WTA-Rang 24) und Anastasia Pawljutschenkowa (38.) sind eben nicht die Nummer zwei und acht der Welt. Jemanden zu unterschätzen, ist jedoch gefährlich, daher hat Rittner Denkverbote erteilt: Ihre "Mädels" sollen verdrängen, dass La Scharapowa fehlt. Und auch, dass ein mögliches siebtes Finale des DTB zu Hause stattfinden würde: "Wir müssen das ausblenden", betont Rittner. Was sie nicht ausblendet, ist, dass andere Teamchefs "gerne mit mir tauschen würden" - sie hat ja vier gleich gute Spielerinnen zur Verfügung.

Görges war bei den Australian Open im Achtelfinale, Lisicki (19.) glänzte in Indian Wells (Halbfinale), Petkovic (11.) und Kerber (14.) siegten in Antwerpen und Charleston. "So nah waren sie noch nie zusammen", sagt Rittner, die selbst Görges (63.) als Top-20-Akteurin empfindet. Deshalb beginnt diese auch am Samstag; Rittner gönnt den von Reisestress und Jetlag gezeichneten Petkovic und Kerber die benötigte Pause, wobei am Sonntag Umbesetzungen möglich sind. Wer die nötigen drei Punkte holt, ist Rittner nämlich egal. Sie sagt: "Wir gewinnen oder verlieren immer als Team."

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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