Tennis:Allen Ernstes

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Nachrücker: Benjamin Becker darf das Auftakt-Einzel in der Dominikanischen Republik bestreiten. (Foto: John G. Mabanglo/dpa)

Das deutsche Davis-Cup-Team muss im Abstiegskampf in der Dominikanischen Republik antreten. Der Tennissport hat dort keine große Tradition, die gegnerische Mannschaft außer Estrella Burgos wenig Furchterregendes zu bieten.

Von Philipp Schneider, Santo Domingo/München

Felipe Payano muss eine imposante Erscheinung sein, der Sportminister der Dominikanischen Republik hat große Hände und erzählt gute Geschichten, das hört man raus im Gespräch mit Hans-Jürgen Pohmann. Der Sprecher des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) war selbst mal eine große Nummer in der Tennisszene, zwischen 1971 und '76 gewann er 18 seiner insgesamt 24 Davis-Cup-Partien. Außerdem gilt Pohmann als Kenner der Dominikanischen Republik, zwölfmal hat er schon Urlaub gemacht in der Nation, die sich mit Haiti den Platz und die Strände auf der schönen Karibikinsel Hispaniola teilt. Bei seinen vielen Reisen hat Pohmann festgestellt: "Tennis existiert hier gar nicht." Als er aber Anfang der Woche aus dem Flugzeug stieg, um sich mit dem DTB-Tross angemessen auf die Davis-Cup-Relegation vorzubereiten, die von diesem Freitag (16 Uhr/MESZ) bis Sonntag in der Hauptstadt Santo Domingo ausgetragen wird, hat er sofort gespürt, dass sich die Lage geändert hat: "Das ist das Spiel der Geschichte für die Leute hier." Zeitungen , Fernsehen, Radio, es gebe kein anderes Thema als Davis Cup, sagt Pohmann: "Und der Minister konnte kaum atmen, als er erzählt hat, wie toll das alles für sein Land ist. Dabei ist er ja selbst ein früherer Basketballspieler, ein Zweimeter-zwei-Mann."

Als der Riesenminister Felipe Payano wieder atmen konnte, hat er natürlich auch mit Michael Kohlmann geredet beim gemeinsamen Abendessen mit dem deutschen Davis-Cup-Team und der deutschen Botschafterin in Santo Domingo am Dienstagabend. Kohlmann, der Kapitän der Mannschaft, wollte wissen, welchen Stellenwert Tennis in Payanos Zuständigkeitsbereich hat, und dann habe er erzählt, dass es 100 Plätze auf der Insel gibt, sagt Kohlmann: "Und dazu noch 300 Plätze in den Hotels. Für die Touristen."

Abgesehen von Estrella Burgos ist der Gegner nicht furchterregend

Es ist also eine undankbare Mission, die Kohlmann bei seiner zweiten Davis-Cup-Begegnung als Verantwortlicher zu bewältigen hat: Er muss mit seiner Mannschaft den ersten Abstieg aus der Weltgruppe seit zwölf Jahren verhindern; die Dominikanische Republik dagegen könnte erstmals in diese aufsteigen. "Wenn wir Deutschland schlagen, feiern die Menschen einen Monat lang eine Party, da bin ich sicher", sagt Victor Estrella Burgos, die Nummer eins des Landes und Nummer 57 der Welt. Estrella Burgos ist so etwas wie eine herausragende Ausnahme in der Tennisszene der Republik. Im Februar gewann er in Quito sein erstes Turnier auf der Profi-Tour - obwohl er schon 35 ist. Nie zuvor war ein Spieler älter bei seinem ersten Turniersieg. "Er ist mit der Qualifikation für diese Relegation zum Nationalhelden aufgestiegen", sagt Kohlmann: "Wenn man auf der ATP-Tour ein Turnier gewinnt, dann sagt das doch schon alles: Das zeugt von Qualität." Erschwerend kommt hinzu, dass Estrella Burgos in der charmanten Betonschüssel von Santo Domingo, dem Centro Nacional de Tenis, mit seinem Team seit fünf Jahren ungeschlagen ist. "Mein Job ist es", sagt er, "dass diese Bilanz auch nach dem Spiel gegen Deutschland besteht."

Verhindern möchte Kohlmann dies mit dem Spitzenspieler Philipp Kohlschreiber sowie Benjamin Becker, dem Debütanten Dustin Brown und dem Doppelspezialisten Philipp Petzschner. Ursprünglich hatte Kohlmann die Vision gehabt, neben Kohlschreiber (ATP-Nr. 34) erstmals den 18 Jahre alten Alexander Zverev (Nr. 79) zu nominieren - doch der sagte wegen einer Viruserkrankung ab. Für Zverev sprang der 34 Jahre alte Becker (Nr. 73) kurzfristig ein, zur Belohnung darf er am Freitag gleich das erste Einzel spielen. Abgesehen von Estrella Burgos hat die Mannschaft der Dominikanischen Republik wenig Furchterregendes an sich. Die Nummer zwei, gelistet auf Platz 200, hat einen schönen Namen. Doch "José Hernández-Fernández dürfte eigentlich von jedem meiner Jungs zu schlagen sein", sagt Kohlmann. Er hat Hernández-Fernández' Spiel bei den US Open studiert: "Er ist kein John Isner oder John McEnroe, aber ein solider Arbeiter. Da müssen wir mit Ernsthaftigkeit rangehen."

Bleibt die Frage, wie ernst die Baseball-Liebhaber der Dominikanischen Republik Tennis nehmen. Und warum sie einen Hartplatz als Wunschbelag auswählten, obwohl Estrella Burgos sein einziges ATP-Turnier sowie fünf von sechs Challenger-Veranstaltungen auf Sand gewann? Die Regularien beim Davis Cup schreiben eine gewisse Zahl an Zuschauerplätzen vor. Das Centro Nacional de Tenis ist das einzige Tennisstadion des Landes. Dort liegt ein Hartplatz aus. Ist halt so.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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