Südamerika:Costa sei Dank 

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Douglas Costa im Zweikampf mit dem Argentinier Roncaglia. Der Bayern-Spieler übezeugt beim 1:1 der Brasilianer in der WM-Qualifikation. (Foto: Marcos Brindicci/Reuters)

Der Flügelflitzer des FC Bayern wendet die Dramaturgie im WM-Quali-Spiel der Brasilianer in Argentinien. Kurz nach der Einwechslung bereitet er den 1:1-Endstand vor.

Von Javier Cáceres , Buenos Aires/München

Wer sich derzeit über die Tabelle der Südamerika-Qualifikationsgruppe zur WM 2018 beugt, der sieht Verblüffendes. Zwar sind erst drei Spieltage vorüber, doch zwei der drei Länder des Kontinents, die (neben Uruguay) bereits Weltmeister wurden (Brasilien, Argentinien), liegen distanziert auf Rang fünf und neun von zehn Plätzen. Am Freitag waren die Erzrivalen in Buenos Aires aufeinander getroffen, und sie trennten sich mit einem Resultat, das keinem so richtig hilft: 1:1. Zudem verließen sie das Stadion mit derselben Frage auf den Lippen: Wer von uns beiden verschwendet unter seinem Trainer eigentlich mehr Zeit? Argentinien unter Gerardo "Tata" Martino? Oder Brasilien unter Carlos Bledorn Verri alias Dunga?

Gastgeber ohne Messi, Agüero und Tevez

Zurzeit liegt Brasilien in dieser Hinsicht leicht vorne, Dunga sei Dank. In Buenos Aires verblüffte der frühere Bundesligaprofi des VfB Stuttgart vor allem die Fans der Argentinier mit der überaus exzentrischen Idee, den neben Sturmführer Neymar vom FC Barcelona mutmaßlich formstärksten brasilianischen Legionär, Douglas Costa vom FC Bayern, im Monumental-Stadion auf der Ersatzbank sitzen zu lassen. Die Quittung erhielt Dunga prompt. In der ersten Halbzeit waren die Argentinier überlegen, obschon sie auf ihren weiterhin knieverletzten Kapitän Lionel Messi verzichten mussten. Und obwohl zudem die populären Angreifer Sergio Agüero (Manchester City) und Carlos Tévez (Boca Juniors Buenos Aires) fehlten. Aus der optischen Überlegenheit der Gastgeber entwickelte sich folglich die Führung durch Ezequiel Lavezzi (34.) von Paris St. Germain. Es war Argentiniens erster Länderspiel-Treffer seit 341 Minuten.

Zur Pause wechselte Dunga dann doch die Bayern-Offensivkraft Costa ein, und der revolutionierte sofort das Spiel. Mit seinen Dribblings brachte er die Statik der argentinischen Abwehr ins Wanken, nach knapp einer Stunde köpfelte Costa selbst eine Hereingabe an den Querbalken, den Abpraller verwertete Lucas Lima zum 1:1-Endstand. Es war das 25. Remis im 101. Klassiker dieser südamerikanischen Fußball-Großmächte. Argentinien aber muss nun am Dienstag zum hitzigen Auswärtsspiel bei den Kolumbianern antreten, die in Santiago bei Copa-América-Sieger Chile ein achtbares Remis (1:1) erreichten. Brasilien wiederum empfängt Peru, das durch einen Treffer des einstigen Schalkers Jefferson Farfán zu einem 1:0-Sieg gegen Paraguay kam. Dabei wird Brasilien - zur Erleichterung nicht weniger Fans der Mannschaft - auf Innenverteidiger David Luiz (Paris St. Germain) verzichten müssen. In der 89. Minute musste Luiz wegen wiederholten Foulspiels vom Platz.

Obschon seine Mannschaft erneut nicht brillierte, gab sich Dunga gnädig: "Wir hatten Schwierigkeiten im Spiel nach vorne", konzedierte er. Vor allem ärgerte er sich darüber, dass sein Team nicht einen psychologischen Vorteil nutzte, denn den 50 000 Zuschauern im Monumental war nur allzu gewärtig, dass Brasilien eigentlich seit Beginn des Jahrhunderts die Duelle dominiert hat -, und dass Tata Martino bei seinen acht Spielen als Trainer im Monumental-Stadion nie gewinnen konnte. "Man hatte nicht den Eindruck, dass wir in einem argentinischen Stadion waren. Über diesem Stadion lag Ruhe und Anspannung. Doch wir haben das nicht ausnutzen können", sagte Dunga.

Noch einen Joker in der Hinterhand

Relativ gelassen kann er allerdings nur deshalb sein, weil die Regularien der WM-Qualifikation für südamerikanische Mannschaften denkbar günstig sind. Vorne liegt mit drei Siegen aus drei Spielen Ecuador, aber in dieser Kontinental-Ausscheidung qualifizieren sich bekanntlich vier der zehn Teams der Kontinental-Gruppe direkt für die WM 2018 in Russland. Der Fünfte bekommt eine weitere Chance in den Playoffs gegen einen Vertreter aus der viel leichter eingestuften Ozeanien-Gruppe. Spätestens da sollte dann was gehen für Brasilien, den fünfmaligen Weltmeister, der noch nie eine Endrunde verpasst hat.

Ähnliches gilt für die Argentinier. Allerdings ist deren Ausbeute mit nur zwei von neun möglichen Punkten schlechter als einst in der Qualifikation zur WM 1970, als es nach zwei Auftakt-Niederlagen immerhin einen Sieg gab. Damals aber verpassten die Gauchos letztmals eine WM. Immerhin haben sie noch einen Joker in der Hinterhand: Noch nicht am Dienstag in Kolumbien, aber doch wieder im kommenden Jahr wird Lionel Messi zur Verfügung stehen. Um alles zu richten.

© SZ vom 15.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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