Sportpolitik:Slowenische Merkwürdigkeiten

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Aleksander Ceferin, 48, ist seit gut einer Woche Nachfolger von Michel Platini als Uefa-Chef. (Foto: Yannis Kolesidis/dpa)

Gegen den Uefa-Boss Ceferin gibt es so viele Vorwürfe, dass die Fifa-Ethiker sich um ihn kümmern.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Fußballerische Auszeichnungen sind Mangelware in der Vita von Aleksander Ceferin, 48. Aber nun könnte ihm eine rekordverdächtige Leistung gelingen. Seit 14. September ist der Slowene neuer Präsident von Europas Fußball-Union Uefa; seine Unterstützer behaupten, er stünde für einen Neustart nach dem erzwungenen Ende der schillernden Ära Michel Platinis. Aber nach kaum mehr als einer Woche rückt Ceferin schon ins Visier der Ethikkommission des Fußball-Weltverbands (Fifa). Im Umfeld des Gremiums heißt es, dass bereits verschiedene Sachverhalte rund um den Slowenen genau beobachtet würden. Die Ethiker können auch gar nicht anders, wenn ihnen die Nachrichtenlage beunruhigend erscheint.

Auch gegen Ceferins Förderer, Russlands Multifunktionär Mutko, gibt es eine neue Beschwerde

Da ist zum Beispiel die Frage, wie korrekt die Darstellungen Ceferins bezüglich seines Lebenslaufs und seiner früheren fußballerischen Aktivitäten sind. Ausweislich seines Profils auf der Internetseite der Uefa war er von 2005 bis 2011 in verschiedenen Vorstandsämtern bei slowenischen Klubs (unter anderem Olimpija Ljubljana) aktiv. Recherchen verschiedener Medien sowie die Aussagen früherer Funktionäre dieser Klubs wecken jedoch Zweifel an dieser Version. Träfe das zu, könnte es heikel werden. Denn Ceferin ließ sich 2011 zum Chef seines nationalen Heimatverbandes NZS wählen, und dafür musste er gewisse Tätigkeiten im Fußball nachweisen - unter anderem eine mehrjährige Amtszeit in verantwortlicher Position. Sollten sich die neuen Zweifel bewahrheiten, hätte Ceferin seinen ersten großen Funktionärsposten womöglich gar nicht korrekt erobert.

Einschlägigen Argwohn erweckt überdies ein Kredit, den Sloweniens Verband unter Ceferins Führung im Vorjahr erhielt. Neben der russischen Sberbank (drei Millionen Euro) lieh demnach auch die Uefa selbst Geld, von vier Millionen Euro ist die Rede. Verhandlungspartner auf Uefa-Seite soll üblicherweise Gianni Infantino gewesen sein: Der war damals Generalsekretär der Europa-Union. Inzwischen ist er Chef des Weltverbands Fifa - und ein wichtiger Strippenzieher bei Ceferins Wahl.

Nun berichtet das norwegische Magazin Josimar, das Geld sei nicht wie vereinbart genutzt worden: Statt in den Bau eines nationalen Zentrums seien Tranchen in Anteile an einer Online-Lotterie geflossen. Das Magazin zitiert Dänemarks Uefa-Vorstand Allan Hansen, dass solche Gelder strikt für fußballbezogene Projekte bestimmt seien - andernfalls müsste das Finanzkomitee auf "sofortige Rückzahlung" drängen.

Ceferin weist alle Vorwürfe zurück. "Ein weiterer Witz", sagte er bei der Präsentation des EM-Logos 2020 am Mittwoch, und zum Umgang mit dem Kredit: "Es ist alles total klar, die Uefa hat alle Dokumente, ich war nicht in die Sache involviert." Der Verband sagt, er habe keine Zweifel an Ceferin und kommentiere keine Artikel, die "auf purer Spekulation" beruhten.

Neben Fragen zu seiner Zeit im slowenischen NZS gibt es auch solche, die Ceferins neues Amt an der Uefa-Spitze betreffen. Seit Kurzem steht im Raum, dass Vorgänger Platini trotz seiner Sperre noch eine Art Abfindung durch die Uefa erhalten soll. Ceferin sagt, er wolle das Thema mit der Administration besprechen; die Uefa würde aber nichts "Unethisches" machen.

Daneben bleiben die offenkundigen Allianzen ein Thema, die Ceferin vor seiner Wahl zum Uefa-Chef schmiedete - insbesondere die mit dem umstrittenen Moskauer Multi-Funktionär Witalij Mutko, der unter anderem als russischer Sportminister, Fifa-Vorstand und Präsident des heimischen Fußballverbands firmiert. Er hatte den Slowenen unterstützt und ihm das umfangreiche, traditionell von Russland dirigierte Stimmpaket Osteuropas zugeführt. Umso pikanter, dass der von Russland gepushte Ceferin jetzt ein wichtiges Amt im Kontext der WM 2018 in Russland ausüben soll: Der Slowene soll an die Spitze des Fifa-Organisationskomitees (nicht zu verwechseln mit dem lokalen Organisationskomitee der Russen) rücken. Dieses Amt wird traditionell vom Präsidenten jenes Kontinentalverbandes ausgeübt, in dessen Erdteil die WM stattfindet - für Russland 2018 ist der Uefa-Chef zuständig. So sorgte diese Regelung dafür, dass die WM-2018-Ausrichter bei der Uefa-Thronkür den ihnen genehmen Kandidaten aussuchen konnten. Ceferins Widersacher Michael van Praag aus Holland hatte im Wahlkampf stets stark auf Reformen und Transparenz gepocht.

Auch Ceferins Förderer Mutko ist bei den Ethikern ein Thema. Schon der im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada erstellte Report des kanadischen Anwalts Richard McLaren zum weitflächigen, staatlichen Doping in Russland rückte den Multi-Funktionär ins Visier des Gremiums. Nun liegt nach SZ-Informationen ein zweiter interessanter Vorgang bei den Ethikern. Es geht um einen Verstoß gegen die Kodizes von Welt- und Nationalverband, der aus Mutkos Doppeltätigkeit als Sportminister und Präsident der russischen Fußball-Föderation (RFS) besteht. Das hohe Fußball-Amt übernahm er nach einer sechsjährigen Pause 2015 wieder. In der Tat bestraft die Fifa gern drakonisch, wann immer es ihr sportpolitisch passt, staatliche Einmischungen in die Angelegenheiten des Fußballs. Dass aber in Russland der Sportminister ganz direkt auf den Fußball einwirken kann, ist offenbar kein Problem. Samstag stellt sich Mutko zur Wiederwahl.

Die Fifa selbst teilte kürzlich mit, sie sähe keinen Interessenskonflikt. Die Ethiker äußern sich nicht zu dem Thema. Und Mutko selbst blickt einer neuen Amtszeit entgegen. Er hat zwar drei Gegenkandidaten im Kampf um den RFS-Chefposten. Aber das Ergebnis dürfte kaum schlechter ausfallen als Ceferins 42:13 jüngst gegen van Praag.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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