Sportpolitik:IOC in Erklärungsnot

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In der Clenbuterol-Affäre gibt es neue Entwicklungen: Zahlreiche bei Nachtests erhobene Positiv-Befunde bei den Sommerspielen 2008 sollen nicht weiterverfolgt worden sein.

Von Thomas Kistner, München

Die Clenbuterol-Affäre um das Internationale Olympische Komitee (IOC) spitzt sich zu. Anti-Doping-Agenturen wie die deutsche Nada und internationale Experten haben bereits scharf kritisiert, dass IOC und Wada zahlreiche bei Nachtests erhobenen Positiv-Befunde während der Sommerspiele 2008 in Peking nicht weiterverfolgt, sondern diskret abgehakt hatten - mit der Vermutung auf Fleischkontaminierung. Dabei betrafen die Funde auch Jamaikas Sprinterteam, das die Spiele in China mit dem neuen Wunderläufer Usain Bolt dominiert hatte.

Nun bringen weitere Enthüllungen der ARD-Doping-Redaktion das IOC in zusätzliche Erklärungsnot. Zum einen erwägt der polnische Kanute Adam Seroczynski, der bisher einzige offizielle Clenbuterol-Fall von Peking, eine Schadenersatzklage gegen das IOC. Delikaterweise hatte ausgerechnet Thomas Bach, heute Boss des IOC, das den Blanko-Freispruch für Jamaika und andere bewilligte, 2008 die Disziplinarkommission geleitet, die bei Seroczynski eine Fleischkontamination ausgeschlossen hatte. Darauf verwiesen polnische Funktionäre. Jedoch sollen auch die geringen Werte des Polen eine solche Erklärungsmöglichkeit beinhaltet haben.

Zugleich, berichtete die ARD am Sonntag, steht in der Dopinganalytik eine bahnbrechende neue Methode an, die bei Clenbuterol-Befunden endlich eine klare Unterscheidung der Ursache - Medikation oder Fleischvergiftung - ermöglichen könne. Mario Thevis vom Kölner Fachlabor stellte eine solche Analytik schon bis 2018 in Aussicht. Das könnte doch noch zur späten Klärung der Dopingverdachtsfälle von Peking führen: inklusive der Möglichkeit eines sportpolitischen Super-Gau, falls jamaikanische Betrugsfälle vorlägen. Die ARD-Frage, ob im Falle von Dopingbelegen bei den Pekinger-Proben die Fälle noch juristisch verfolgt würden, ließ das IOC unbeantwortet. Es bezeichnete sie als "hypothetisch".

Nun wird sehr darauf zu achten sein, ob das IOC oder die ihm in politisch heiklen Fällen oft ergebene Wada die Vernichtung der in Lausanne eingelagerten Peking-Proben verfügt. Auch Renée Anne Shirley, Ex-Chefin des Anti-Doping-Komitees Jamaikas, fordert bereits weitere Aufklärung: "Die Frage ist: Gibt es irgendwelche Muster, wer waren die Athleten, kamen sie aus einem bestimmte Lager? All das müsste nun ergründet werden."

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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