Sportpolitik:Fünf Schicksale, eine Flagge

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Erst Olympia, jetzt die Leichtathletik: Eine kleine Auswahl an Flüchtlingen ist bei der Weltmeisterschaft in London dabei. Für die Verbände geht es dabei auch um ihre Außendarstellung.

Von Titus Arnu, München

Athletin: Anjelina Nadai startet in London für das Flüchtlingsteam des Leichtathletik-Weltverbands. (Foto: imago)

Keine Flagge, keine Hymne, aber ein gemeinsamer Name: Wenn die Teams bei der Eröffnung der Leichtathletik-WM an diesem Freitag im Londoner Olympiastadion einlaufen, wird eine kleine Auswahl dabei sein, die keinem Staat angehört. Fünf Läufer treten unter dem Kürzel ART an, dem Athlete Refugee Team: Kadar Omar (5000 Meter), Dominic Lokinyomo (1500), Bashir Ahmed (800), Anjelina Nadai (1500) und Rose Lokonyen (800).

Zwei der Sportlerinnen und ein Sportler stammen aus dem Südsudan, einer aus Somalia, einer aus Äthiopien. Alle sind aus ihren Heimatländern geflohen. Dass sie an der Leichtathletik-WM teilnehmen, geht zurück auf eine Initiative der ehemaligen Marathon-Weltrekordhalterin Tegla Loroupe. Die Friedensstiftung der Kenianerin veranstaltet Läufe im Norden Kenias und am Horn von Afrika. Sie hat ein Internat für verwaiste und verstoßene Kinder aufgebaut, das begabte Sportler langfristig fördern will. Sport als positives Symbol gegen Krieg, Armut und Vertreibung - das ist der idealistische Gedanke dabei.

Das ist sicher gut gemeint - aber sind solche Initiativen mehr als ein politisches Feigenblatt für einen Weltverband? Auch bei den Olympischen Spielen 2016 gab es ein Flüchtlingsteam, bestehend aus zehn Sportlern, die aus Südsudan, Äthiopien, Kongo und Syrien stammten. Zum Team gehörte auch die 18 Jahre alte Schwimmerin Yusra Mardini, die aus Syrien floh und in Berlin lebt. IOC-Präsident Thomas Bach feierte das staatenlose Team als "Symbol der Hoffnung für Millionen Flüchtlinge in der ganzen Welt".

Helferin: Die ehemalige Marathonläuferin Tegla Loroupe steht hinter dem Flüchtlingsteam in London. (Foto: imago/Kyodo News)

Eine politisch korrekt wirkende Ablenkung, denn aus internationalen Konflikten halten sich sowohl das IOC als auch die jeweiligen Weltverbände bewusst heraus. Die Sportfunktionäre üben kaum Kritik an Menschenrechtsverletzungen, Staatsdoping und Einschränkungen der Meinungsfreiheit, weder gegenüber arabischen Ländern, noch gegenüber Russland und China. Vielleicht führt der Auftritt des Flüchtlingsteams in London wenigstens dazu, dass mehr über politische Themen bei solchen Großevents gesprochen wird.

Um Nationalstolz und den Rang im Medaillenspiegel wird es für das ART-Team nicht gehen. Auch nicht um den Sieg von Einzelkämpfern. Obwohl die Flüchtlinge keine gemeinsame Flagge haben, verbindet sie ein gemeinsames Schicksal. Für die WM wurde eine eigene Team-Uniform geschaffen, mit der Inschrift "We are all one", "Wir sind alle eins". Es klingt wie ein Slogan einer Sportschuhfirma. Der Satz stammt aber von einem Flüchtling, der diese Worte während eines Trainingswettstreits laut ins Stadion rief.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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