Sportpolitik:"Es frustriert mich immer mehr"

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Einigermaßen resigniert: Richard McLaren (links neben IOC-Generaldirektor Christophe De Kepper) bei der Anhörung in Berlin. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Der Kanadier Richard McLaren hat in Sachen "Doping in Russland" ermittelt. Nun referierte im Sportausschuss des Bundestags über seine Erkenntnisse. Die wichtigste: Er bezweifelt den Reformwillen des organisierten Sports.

Von Johannes Aumüller, Berlin/Frankfurt

Der Doping-Sonderermittler Richard McLaren hat in harten Worten den Umgang des organisierten Sports mit den von ihm vorgelegten Reports über flächendeckendes Doping in Russland kritisiert. "Es frustriert mich immer mehr, was passiert", sagte der kanadische Anwalt am Mittwoch vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages. Er sei nach der Vorlage seines zweiten Berichtes "etwas entmutigt" worden, weil das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sowie der internationale Sport "halbherzig" gehandelt hätten: "Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwille besteht."

McLaren erklärt, warum er von "institutioneller Verschwörung" statt von "Staatsdoping" spricht

McLaren nahm gemeinsam mit mehreren anderen Vertretern von sportpolitischen und Anti-Doping-Organisationen an einer vierstündigen Anhörung des Sportausschusses zu den Folgen des russischen Staatsdopings teil. Er war nach mehreren ARD-Berichten über Russlands Dopingproblem 2016 von der Wada mit Nachforschungen beauftragt worden. Kurz vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro legte er einen Zwischen-, gegen Jahresende 2016 seinen Abschlussbericht vor. Es ging ihm nicht darum, einzelnen Athleten eine individuelle Schuld nachzuweisen, sondern das System nachzuzeichnen. McLaren dokumentierte und belegte dabei erschütternde Erkenntnisse.

Demnach gab es in Russland mindestens von 2011 bis 2015 ein gelenktes Doping- und Dopingvertuschungssystem, in das der Geheimdienst, die nationale Anti-Doping-Agentur, das Kontrolllabor Moskau sowie das Sportministerium involviert waren. Tausende Sportler sollen davon profitiert haben, darunter zahlreiche Medaillengewinner während der Winterspiele in Sotschi, wo es zum konspirativen Austausch von Dopingproben kam, damit diese nicht positiv ausfallen. Gesteuert wurde das Ganze demnach vom Sportministerium, insbesondere von dessen stellvertretendem Leiter Jurij Nagornych.

In Bericht eins hatte McLaren von "Staatsdoping" gesprochen, in Teil zwei nur noch von "institutioneller Verschwörung". Vor dem Sportausschuss erklärte McLaren den Wechsel in der Terminologie so: Er sei zwischen den beiden Berichten zu Gesprächen mit russischen Vertretern gebeten worden. Dabei sei ihm klargemacht worden, dass in Russland "staatlich" bedeute, dass es sich um den inneren Machtzirkel handele oder gar um Staatschef Wladimir Putin selbst. Seine Beweise seien aber über den Vize-Sportminister nicht hinausgegangen. Deswegen habe er einen anderen Begriff gewählt, "aber das ändert ja nichts an den Tatsachen".

Doch trotz dieser dokumentierten Tatsachen fielen die Reaktionen und Sanktionen von IOC und internationalem Sport spärlich aus, weswegen sich McLaren nun vor dem Bundestag ebenso wie Andrea Gotzmann als Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) verärgert zeigte. Das IOC hatte vor den Rio-Spielen auf die in der eigenen Charta verankerte Option verzichtet, das russische Olympische Komitee (ROK) von der Veranstaltung auszuschließen. Sein Argument war dabei, dass das ROK durch die Reports nicht belastet werde. Nur vereinzelt schlossen die Fachverbände russische Starter aus, fast 300 nahmen in Rio teil. Die Sanktionen beschränkten sich darauf, dass einzelne Wintersportart-Veranstaltungen anders als geplant nicht in Russland stattfinden und gegen einzelne Sportler Verfahren angestrengt wurden. Zudem sind zwei Kommissionen eingesetzt worden, von denen sich die eine mit der "institutionellen Verschwörung" und die andere mit den Vorgängen bei den Spielen in Sotschi beschäftigt.

Selbst DOSB-Chef Hörmann mahnt zur Eile im Hinblick auf Winter-Olympia 2018

Das IOC beteuert, es wolle grundlegende Reformen im Anti-Doping-Kampf. So gibt es vor, die Wada solle künftig unabhängiger und mächtiger sein. Allerdings bekommt die Wada auch gemäß der Reformvorschläge nicht das Recht, Staaten mit einem systematischen Dopingproblem für internationale Wettbewerbe zu sperren. Bemerkenswerterweise gaben der IOC-Generaldirektor Christophe de Kepper und der Wada-Vertreter Benjamin Cohen im Sportausschuss auf die Nachfrage eines Abgeordneten, wie sie McLarens Vorwurf bezüglich eines mangelnden Reformwillens kommentieren, keine konkrete Antwort.

Die entscheidende Frage ist nun, wie das IOC mit Russlands Startrecht für die Winterspiele 2018 in Pyeongchang umgeht. Vor dem Sportausschuss gab es an, es gebe noch keinen konkreten Zeitplan; es gelte die Arbeit der beiden Kommissionen abzuwarten. Dabei mahnt selbst Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zur Eile - "andernfalls droht ein ähnliches Szenario wie in Rio", wo die Zahl russischer Starter zu hoch gewesen sei. Sportpolitische Kreise in Moskau geben sich ziemlich sicher, dass es trotz der Vorwürfe und mangelnden Unrechtsbekenntnisses kaum Konsequenzen geben wird.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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