Snowboardcross:Unter Männern

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Die gerade 18-jährige Hanna Ihedioha aus Dingolfing ist neue deutsche Meisterin und stößt mehr und mehr in die europäische Spitze vor.

Von Patrick Reichardt

Schweizer des Jahres, das wird man nicht einfach so, dafür muss man schon Schweizer sein", hat der bekannte Schweizer Fußball-Schiedsrichter Urs Meier einmal behauptet. Ähnlich verhält es sich mit einem Einzeltitel als deutscher Meister: Den gewinnt man auch nur als Deutscher. Seit dem 31. Januar darf sich die 18-jährige Hanna Ihedioha aus Dingolfing deutsche Meisterin nennen, sie ist die beste Snowboardcross-Fahrerin der Bundesrepublik. Im direkten Kampf mit drei anderen Starterinnen rast Ihedioha auf ihrem Sportgerät die mit Sprüngen versehene Piste hinunter. Dass sich das in Deutschland nicht so viele trauen, beweisen die Ausrichtung und die Teilnehmerzahl des Wettbewerbs. Im Rahmen des Europacups wurde die Meisterschaft in Grasgehren im Oberallgäu gleich mit ausgefahren, ein eigenes Titelrennen gibt es nicht. Auch die nationale Konkurrenz war für Ihedioha nicht gerade in Scharen erschienen.

"Dieser Titel war absehbar, weil wir zurzeit nur drei deutsche Mädels sind", erzählt die Snowboarderin. Eine davon habe auch gerade erst mit dem Wettkampfsport angefangen. Dass dieser Titel für sie auch einen gewissen sportlichen Wert besitzt, das hat andere Gründe. Ihedioha ließ nämlich neben den Konkurrentinnen um nationale Ehren auch das gesamte Europacupfeld hinter sich, bei dem 40 Starterinnen angetreten waren. "Das war sehr überraschend für mich. Dadurch, dass ich den ganzen Wettkampf für mich entscheiden konnte, war der deutsche Meistertitel noch einmal verdienter", empfindet sie. Als Beste geehrt zu werden, im europäischen Rennen aber nur auf einem der hinteren Plätze zu landen, das wollte sie nicht.

Sportlich läuft es bei der jungen Frau aus Dingolfing in den letzten Monaten überhaupt sehr gut. "Früher hatte ich immer Probleme, auch wegen diverser Verletzungen. In dieser Saison fühle ich mich echt fit und habe ein gutes Gefühl, dass da was vorangeht", sagt Hanna Ihedioha. Die Schulter hatte sie sich bei dieser harten Disziplin ausgekugelt, das Knie machte immer wieder Sorgen. Doch jetzt, da sie beschwerdefrei ist, kommen die ersten Erfolge. Beim Weltcup in Feldberg Mitte Januar landete sie auf den Rängen 22 und 15, für die kommenden Stationen in Bokwang (Südkorea, 26./27. Februar) sowie La Molina (Spanien, 19./20. März) ist sie im deutschen Kader fest eingeplant. Trotz des damit respektablen Jahresstarts möchte sie im Weltcup erst einmal ihren Platz finden. "Es geht nicht um die Ergebnisse, sondern um die Erfahrungen." Ihr 15. Rang in Feldberg wäre in einem Olympiajahr immerhin schon die halbe Qualifikationsnorm für die Spiele gewesen.

Ihediohas derzeitige Leistungskurve macht auf eine Teilnahme in Pyeongchang 2018 durchaus Hoffnung. Die Snowboarderin mischt in dieser Saison ja gleich drei Wettbewerbe gleichzeitig auf. Zum einen kämpft sie bereits im Weltcup mit der Elite, zum anderen ist sie aber auch noch im Europacup gefordert, wo sie nach ihrem Sieg in Grasgehren derzeit den zweiten Gesamtrang belegt und diesen möglichst auch verteidigen möchte. Durch die Mehrfachbelastung kommt Ihedioha aber teilweise in Konflikte: Wenn die 18-Jährige mit dem Weltcup-Team nach Südkorea reist, fehlt sie gleichzeitig im eine Kategorie tieferen Europacup, der am gleichen Wochenende in Tschechien Station macht. Für dessen Gesamtwertung gehen damit Punkte verloren.

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(Foto: Miha Matavz; Miha Matavz)

Wenn Hanna Ihedioha, 18, im Sportgymnasium in Oberstdorf zum Training antritt, ist sie oft die einzige Frau unter Männern. Geschadet hat es ihr bisher nicht: Die gebürtige Dingolfingerin hat Chancen auf Olympia 2018. Foto: Miha Matavz/oh

Ist das reguläre Wettkampfjahr im März dann beendet, warten noch die Jugend-Weltmeisterschaften in Slowenien (4. bis 6. April). "Ich setze mir schon das Ziel, dass ich in die Top 10 fahre", sagt sie bescheiden. Die Erfahrung im Weltcup der Großen wird beim WM-Kampf mit gleichaltrigen Athleten sicher kein Nachteil sein. "Ein Stockerlplatz", sagt Hanna Ihedioha, "wäre ein Traum."

Die Niederbayerin besucht das Sport-Internat in Oberstdorf, neben dem Leistungssport absolviert sie derzeit die 11. Klasse des Gymnasiums. "Der Sport und die Schule lassen sich gut vereinbaren. Es wird immer versucht, dass ein Tag pro Woche frei ist", erzählt sie. Auch die Unterrichtszeiten sind in der Sportklasse so flexibel, dass die Athleten sich auch öfter vormittags auf ihre Wettkämpfe vorbereiten können.

Das Training selbst bestreitet Ihedioha mit den Snowboard-Männern, da eine reine Frauen-Gruppe im deutschen Snowboardcross nicht zustande kommt. Derzeit, erzählt die Athletin, "sind wir ja nur zu zweit, und eine ist meistens verletzt". Das gemischte Training sei in Ordnung, nur der direkte Vergleich auf der Leistungsebene fehle eben ein wenig. Wie stark, wie schnell und wie abgehärtet sie ist, das sieht Ihedioha immer erst im Wettkampf, denn mit den mit ihr trainierenden männlichen Kollegen kann sie auf der Piste nicht mithalten. "Spaß macht's schon. Die Jungs sind ja eigentlich ganz nett - meistens zumindest." Neben den ungleichen körperlichen Voraussetzungen hat Hanna Ihedioha einen weiteren Unterschied ausgemacht: "Wir trainieren die selben Inhalte, aber pumpen nicht so viel wie die Jungs."

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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