Snooker:Raus aus dem Loch

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Nichts zählt mehr, außer der nächsten Kugel: Der fünffache Weltmeister Ronnie O’Sullivan, 41 Jahre alt, Sieger der UK Open. (Foto: Adrian Dennis/afp)

Am Sonntagabend war es im Londoner Alexandra Palace wieder soweit: O'Sullivan reckte die gläserne Trophäe für seinen sechsten Sieg beim wichtigen Einladungsturnier, dem Masters, in die Höhe. Der Erfolg kommt nach einer achtmonatigen Auszeit.

Von Carsten Eberts

Vielleicht schickt Stephen Hendry wieder eine SMS. Das macht der frühere Dominator des Snooker-Sports gerne, wenn Ronnie O'Sullivan, 40, einen seiner Rekorde bricht. Im Scherz empfiehlt Hendry O'Sullivan dann, bitte seine Karriere zu beenden, bevor er ihm noch weitere Bestmarken entreißt. Am Sonntagabend im Londoner Alexandra Palace war es wieder soweit: O'Sullivan reckte die gläserne Trophäe für seinen sechsten Sieg beim wichtigen Einladungsturnier, dem Masters, in die Höhe. Sechs Titel hatte auch Hendry hier geholt.

1995 triumphierte O'Sullivan erstmals in London, sein Sieg 21 Jahre später ist nun ein besonderer. Nicht nur, weil sein Gegner Barry Hawkins im Finale absolut chancenlos blieb. Das 10:1 war die schlimmste Demütigung seit dem 9:0 von Steve Davis gegen Mike Hallet aus dem Jahr 1988. Vor allem aber war es das Comeback von "The Rocket" bei einem großen Turnier nach acht langen Monaten kreativer Pause.

Die wäre an sich nichts Besonderes, denn O'Sullivan legt gerne mal seine Päuschen ein. Dann zieht er sich aus dem Geschäft zurück, er widmet sich dann exzessiv seinem Lauftraining oder er kümmert sich um seine drei Kinder. Einmal hat er sogar auf einem Bauernhof gejobbt, um den Kopf freizukriegen. Der Brite ist ein Zauderer, der gerne mal mit sich selbst hadert - aber auch mit den Auswüchsen des Geschäfts. O'Sullivan wollte dem Snooker schon häufig den Rücken kehren, aber er ist doch immer wieder zurückgekehrt, eben weil er es so verdammt gut kann.

Er sei normalerweise nie überrascht, wenn er ein Turnier gewinne, sagte O'Sullivan nun: "Doch nach acht Monaten Auszeit hätte ich das nicht gedacht."

Zufriedenheit hatte seine Auftritte im "Ally Pally" an den anderen Tagen zuvor kaum gekennzeichnet. Alle waren gespannt gewesen auf O'Sullivans Rückkehr auf die Tour (die ohne ihn einfach nicht dieselbe ist). Wie er auftreten würde beim Masters, nach so langer Zeit ohne Matchpraxis. Der Mann aus Essex kam, gewann seine Spiele, aber er haderte. In der zweiten Runde warf er den Weltranglistenersten Mark Selby mit 6:3 aus dem Turnier - anschließend schimpfter er über seine Technik. O'Sullivan empfand sein eigenes Spiel als fehlerhaft, als ungenau. Nur seine Intuition, das Gefühl für den besten Ball, habe ihn gewinnen lassen, sagte er. Jeder fragte sich: Wie dominant wäre O'Sullivan eigentlich, würde er so gut spielen, wie er es von sich selbst erwartet?

Das ist eines der Probleme des besten Kugellochers des Planeten: Er ist ein Perfektionist, selbst in fortgeschrittenem Alter. Selten genügt er seinen eigenen Ansprüchen. In früheren Jahren hat er in diesen Phasen häufig den Kopf verloren, Spiele abgebrochen, wenn sie nicht nach Wunsch verliefen. Er habe sich selbst manipuliert, sagt er heute. Aus dieser Phase scheint er raus zu sein, was auch an der Arbeit mit Steve Peters liegt, seinem Sportpsychologen, der auch diesmal im Publikum saß.

Und wie gut O'Sullivan nach seiner Pause schon wieder ist, bekam Hawkins im Finale zu spüren. Den ersten Frame gewann er noch, dann legte O'Sullivan los. Keinen einzigen Frame-Gewinn gönnte er Hawkins mehr, im dritten Frame zauberte er gar 134 von 147 Punkten auf den Tisch. Hawkins erklärte, O'Sullivans Show sei so beeindruckend gewesen, er habe "am Ende selbst gar keine Bälle mehr lochen können".

Das Publikum im "Ally Pally" johlte, als O'Sullivan schließlich seinen Start für die WM im Mai bekannt gab, dem nächsten Großereignis im Snooker- Kalender. Fünfmal hat er bei dem Turnier, das jährlich in Sheffield stattfindet, bereits triumphieret, zuletzt 2013. Der Rekord von Stephen Hendry liegt bei sieben WM-Titeln. Nicht ausgeschlossen, dass ihm O'Sullivan auch diese Bestmarke noch entreißt.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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