Snooker:Blattsalat in Sheffield

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Bio-Snooker: Der fünfmalige Weltmeister Ronnie O'Sullivan hat seinen Lebensstil geändert. Dem Erfolg hat's nicht geschadet. (Foto: imago/Imaginechina)

Ronnie O'Sullivans Lebenswandel war berüchtigt: Bier, Drogen und zu viel Kilos auf der Waage. Nun hat der fünfmalige Weltmeister seine Diät radikal umgestellt - dem Spiel hat es bisher bei der WM nicht geschadet.

Von Carsten Scheele

Die Veranstalter und Sponsoren der Snooker-WM hatten in dieser Woche bange Stunden zu überstehen. Da war gerade Mark Selby, 34, der Titelverteidiger, Weltranglistenerste und große Favorit auf den Weltmeistertitel, in der ersten Runde ausgeschieden, was im snookerverrückten England die ein oder andere Meldung auf den Titelseiten wert war. Und dann rauschte auch noch Ronnie O'Sullivan aufreizend knapp am Erstrunden-Aus vorbei. Er lag gegen Stephen Maguire 0:4 zurück, für eine Nacht stand zu befürchten, dass die WM nach den beiden ersten Tagen ohne ihre gefeierten Spieler dasteht. Der fünfmalige Weltmeister O'Sullivan, 42, hat seinen Auftakt dann aber noch hingebogen, nach dem lange gefährdeten 10:7-Erfolg bleibt er dem Turnier erhalten, er trifft nun auf Ali Carter. Die Erleichterung darüber war in jeder Ecke des Crucible Theatre in Sheffield zu spüren.

Für Selby ist die Saison hingegen beendet. 2016 und 2017 hatte er sich den WM-Titel gesichert, nun hat er bestätigt, dass ihm aktuell dafür die Konstanz fehlt. Der Zehenbruch zu Saisonbeginn - ihm war im eigenen Haus ein schwerer Glasschmuck auf den Fuß gefallen - warf ihn im Training zurück. Anschließend konnte Selby zwar seine Weltranglistenführung verteidigen und zwei größere Turniere gewinnen, kürzlich die China Open. Doch er hat sich auch eine Reihe peinlicher Niederlagen geleistet wie bei der UK Championship im November, als er in Runde zwei gegen die damalige Nummer 66 der Weltrangliste, den kaum bekannten Scott Donaldson, verlor. Nun die Niederlage bei der WM. Zwar ist sein siegreicher Gegner, Joe Perry, ein guter, wenn auch selten überragender Spieler. Selby indes wird wegen seiner Nervenstärke "Folterknecht" genannt. Als beim Stand von 2:7 alle eine Aufholjagd erwarteten, wirkte Selby seltsam kraftlos. "Hier raus zu sein, bevor es los geht, ist sehr enttäuschend", klagte er.

Ein vergleichbares Debakel drohte O'Sullivan beim Nullvier-Zwischenstand gegen Maguire. Das Erfrischende am Briten ist ja, dass er über seine schlechtesten Spiele seine lustigsten Sätze sagt, diesmal hatte er sich "am Boden" gewähnt: "Ich dachte schon, ich müsste den Zuschauern ihr Geld zurückgeben." O'Sullivan, dem es in dem Gentlemen-Sport auch immer um eine gute Show geht, hatte "überall Bälle verschossen". Anfangs sei er noch dankbar gewesen, dass wenigstens sein alter Kollege Maguire - beide spielen seit den 1990er Jahren auf der Snookertour - einige Kugeln gelocht habe, weil "die Zuschauer sich freigenommen hatten und Snooker sehen wollten". Im Gegensatz zu Selby steigerte sich O'Sullivan aber, aus dem 0:4 machte er per Zwischenspurt ein 3:4. Nach der Halbzeit drehte er die Partie endgültig, gab nur noch einen Frame ab.

Nimmt man die Leistungssteigerung zum Maßstab, kommt O'Sullivan tatsächlich für seinen sechsten WM-Titel in Frage. In Selby ist der Favorit gestrauchelt, auch Shaun Murphy scheiterte überraschend, 9:10 gegen Jamie Jones.

Die Energie fürs große Ziel zieht O'Sullivan aus einer neuen Diät. Der knautschnasige Mann aus den West Midlands hat über die Jahre ziemlichen Raubbau mit seinem Körper betrieben; mal nahm er exzessiv Drogen, dann trank er über die Maßen Alkohol, mehr als 100 Kilo hat er zwischenzeitlich auch gewogen. Nun mache er sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich Gedanken über sein Essverhalten - im Gegensatz zu vielen seiner chronisch übergewichtigen Landsleute, wie er mahnend anfügte. Demonstrativ vertilgte O'Sullivan bei einer Pressekonferenz mit einem Plastiklöffel einen Salat. "Ich fühle mich so gut", unkte er, "ich werde wohl 200 Jahre alt." Er müsse ernsthaft überlegen, seine Einlaufmusik ändern zu lassen, in die Neunziger-Hymne "Live Forever" von Oasis.

Mark Selby kündigte dagegen an, die WM fortan zu boykottieren. Er könne es nicht ertragen, seine Kollegen spielen zu sehen: "Ich werde all meine Fernseher verkaufen und mir in drei Wochen ein paar neue zulegen." Auch das war ein Scherz.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise der Snooker-Spieler Mark Selby anstatt Ronnie O'Sullivan zu sehen. Das Bild wurde ausgetauscht.

© SZ vom 25.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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