Skispringen:Aus dem Schatten der Männer

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Das lange belächelte Frauen-Skispringen hat es inzwischen bis ins WM-Programm geschafft. Es zeigt sich: Auch Frauen können weit fliegen.

Johannes Aumüller

Wer will, kann so tun, als hätte es Frauenskispringen schon immer gegeben und kann die Geschichte dieser Sportart weit ausdehnen. Zum Beispiel bis ins Jahr 1911, als in Kitzbühel in Österreich erstmals eine Frau an einem offiziellen Skisprung-Wettbewerb teilnahm, sich die Gräfin Paula Lamberg von der Schanze wagte und bei einer damals respektablen Weite von 22 Metern landete. Oder bis in die siebziger Jahre, in denen die Norwegerin Anita Wold als Vorspringerin an der Vierschanzentournee teilnahm und den Frauen-Skisprung-Weltrekord auf fast 100 Meter schraubte. Oder bis ins Jahr 2003, als die damals 19-jährige Österreicherin Daniela Iraschko bei einem Sprung von einer Skiflugschanze erst bei der 200-Meter-Marke wieder Schnee unter den Brettern spürte.

Frauen der Lüfte: Anette Sagen aus Norwegen (hier im Bild bei einem Sprung in Notodden) gehört zu den besten Skispringerinnen der Welt. (Foto: Foto: AFP)

Für die meisten hingegen beginnt die Geschichte des Frauen-Skispringens erst in diesem Jahr. Denn bei den Weltmeisterschaften in Liberec (18. Februar bis 1. März) ist erstmalig ein Skisprung-Wettkampf der Frauen im Programm (20. Februar) - live im Fernsehen. Viele hoffen, dass mit diesem Wettbewerb der Durchbruch in Sachen öffentlicher Wahrnehmung gelingt: "So richtig fühlt man sich bisher noch nicht akzeptiert, aber unser Sport ist einfach noch zu unbekannt. Viele wissen ja gar nicht, dass die Frauen auch Skispringen betreiben", sagt Anna Häfele.

Häfele, 19, ist die derzeit beste Springerin eines ohnehin guten deutschen Teams. Drei der ersten vier Wettkämpfe in Park City und Vancouver hat sie gewonnen, in der Gesamtwertung des Continental-Cups - das Prädikat "Weltcup" hat der Weltskiverband (Fis) dem Frauenskispringen bisher noch nicht verliehen - liegt sie auf Platz eins vor ihrer Teamkollegin Ulrike Grässler und der Norwegerin Anette Sagen, auf Position fünf folgt mit Jenna Moor die nächste Deutsche. Aus einem guten Dutzend Nationen stammen die Athletinnen.

Mit etwas mehr Geschwindigkeit auf die Weiten der Männer

In der Regel springen sie von der Normalschanze. Zwar fühlt sich die ein oder andere auch auf den größeren Anlagen wohl, doch insgesamt gibt es nicht genügend Athletinnen, die von einer Großschanze respektable Weiten erzielen würden. "Je größer die Schanze, desto schwieriger", weiß Häfele und desto mehr wirken sich die anatomischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern aus. Wenn im Kinder- und Jugendbereich von den kleinen Schanzen gesprungen wird, können die Mädchen mit den Jungs durchaus mithalten. Um auf den größeren Anlagen auf die Weiten der Männer zu kommen, brauchen die Frauen durchschnittlich zwei bis drei Stundenkilometer mehr Anlaufgeschwindigkeit.

Nach den Wettkämpfen in Nordamerika wollen Häfele & Co. an diesem Wochenende auch in Deutschland beweisen, welche Qualitäten sie besitzen. Sie treten mit dem Continental-Cup-Tross dort an, wo die "Wiege des deutschen Frauen-Skispringens" steht. Seit 1997 organisiert der SC Schönwald den "Ladies Cup", bis zum vergangenen Jahr in Schönwald selbst, 2009 erstmals im benachbarten Schonach.

In Schönwald wurde das Frauenskispringen schon gefördert, als es vielerorts noch für Schmunzeln und gewagte medizinische Diagnosen sorgte. Noch in den neunziger Jahren verkündeten führende Skisport-Funktionäre Sätze wie "Die Wucht des Aufsprungs zerstört die Gebärmutter" oder "Die weibliche Wirbelsäule ist der brutalen Belastung bei der Landung nicht gewachsen".

Noch Hoffnungen auf die Olympia-Teilnahme

In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Gebärmutter-Diagnose als falsch erwiesen, auch die Zahl der Skeptiker hat sich merklich reduziert. Ende der Neunziger lief erstmals eine Frauen-Konkurrenz unter der Organisation der Fis, wenig später entstand auch ein Continental-Cup. Länder wie Deutschland, Norwegen, die USA oder Kanada begannen, sich intensiver dem Frauen-Skispringen zu widmen, und 2005 beschloss ein Fis-Kongress mit 101 zu 1 Stimmen, das Frauen-Skispringen 2009 erstmals bei einer WM ins Programm zu nehmen. Die Zahl der aktiven Springerinnen stieg weltweit auf etwa 400, in Deutschland auf zirka 20.

Bevor die erste WM-Teilnahme über die Bühne gehen wird, denken die meisten Skispringerinnen schon an eine andere Großveranstaltung: die Olympischen Spiele. Die Aufnahme ins Olympia-Programm fehlt ihnen bisher, für die Spiele 2010 in Vancouver ist ihr Start noch nicht vorgesehen. Es gebe zu wenige professionelle Skispringerinnen, beschied das IOC - und nahm stattdessen Skicross auf.

Ganz aufgegeben haben die Frauen ihre Hoffnungen aber noch nicht. Die kanadischen Sportlerinnen zogen vor den Supreme Court in der Hauptstadt Ottawa, weil sie ihren Ausschluss als diskriminierend empfinden; am 20. April fällt die Entscheidung. Andere hingegen wären schon froh, wenn Frauen-Skispringen in Vancouver wenigstens eine Demonstrationssportart wäre.

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