Schwimmen:Wieder ein Knöllchen

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Ebenfalls nicht bei Olympia 2016 am Start: Schwimm-Weltmeisterin Julia Jefimowa wurde schon zum zweiten Mal positiv getestet. (Foto: Alexander Nemenov/AFP)

Der nächste prominente Meldonium-Fall: Julia Jefimowa. Die junge Russin gilt als Wiederholungstäterin.

Von Saskia Aleythe, München

Wundern muss man sich jetzt nicht. Wer im August vergangenen Jahres hörte, was Julia Jefimowa in ein ZDF- Mikrofon sagte, der bekam einen guten Eindruck von ihrer Einstellung zum Doping. Es waren gerade Schwimm-Weltmeisterschaften in Kasan/Russland, ihrem Heimatland, und die 23-Jährige kommentierte ihre erst kurz vorher abgelaufene Dopingsperre so: "Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen sie ein Knöllchen." Und dann fährt man eben weiter.

Julia Jefimowa ist weitergefahren. In Kasan schnappte sie sich WM-Gold über 100 Meter Brust. Doch jetzt war sie wieder zu schnell unterwegs - und diesmal könnte das "Knöllchen" ihr Karriereende bedeuten: Die Russin wurde als erste Weltklasse-Schwimmerin mit Meldonium erwischt, gleich in zwei Proben wurde die Substanz nachgewiesen, nun ist sie vorerst provisorisch gesperrt. Julia Jefimowa sagt: "Ich habe Meldonium genommen." Aber auch: "Ich lehne Dopingvorwürfe kategorisch ab." Nun trainiert sie erst mal weiter, für Olympia in Rio in fünf Monaten.

Meldonium also, das Mittel, das seit dem Jahreswechsel auf der Liste der verbotenen Substanzen steht und seitdem eine Welle an Dopingfällen beförderte, der prominenteste ist Tennisprofi Maria Scharapowa. Schon mehr als 100 Positivtests hat es bis heute gegeben, vor allem in Russland scheint Meldonium weit verbreitet gewesen zu sein.

Und doch ist das Herzmedikament aus lettischer Produktion wohl nur der kleinere Teil des Problems: Die britische Zeitung The Times berichtete am Mittwoch über Hinweise auf systematisches Doping auch im russischen Schwimmsport - ein mutmaßlicher Drahtzieher im Dopingskandal um die russische Leichtathletik soll auch im Schwimmen sehr aktiv gewesen sein. Mehrere Positivtests seien vertuscht worden, an mindestens ein Trainingszentrum sei ein pharmakologisches Labor angeschlossen. Der deutsche Bundestrainer Henning Lambertz findet: "Wenn alle Fakten dafür sprechen, dann kann ich nur befürworten, eine ganze Nation zu sperren." Der Umgang mit russischen Sportlern falle ihm schwer. "Wie soll ich einem Marco Koch oder Paul Biedermann sagen: Versucht, gegen die anzuschwimmen?" Der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada kündigte eine Untersuchung an.

Julia Jefimowa gab in einem selbst gedrehten Video eine Erklärung ab. Hellblaues T-Shirt, die langen blonden Haare ragen aus dem Bild heraus. Sie sagt mit teils brüchiger Stimme: "Ich wurde nicht gewarnt, dass Meldonium seit Januar auf der Liste steht - weder von russischer noch von internationaler Seite. Weder mündlich, noch per E-Mail." Die arme Jefimowa: Kann schon wieder nichts dafür. Und außerdem habe sie Meldonium auch nur genommen, als es noch legal war. Zuletzt im Dezember, berichtete ihr Trainer Dave Salo. Am 15. und am 24. Februar 2016 wurde sie positiv getestet - warum die Substanz so lange in ihrem Körper geblieben sei, wisse sie nicht. Experten gehen davon aus, dass Meldonium kaum länger als eine Woche nachweisbar ist. Jefimowa glaubt da lieber an ein medizinisches Wunder. Interessant ist dann aber die Frage: Warum setzt Jefimowa das Mittel ab, wenn sie gar nicht weiß, dass es fortan verboten ist?

Der Präsident des Russischen Schwimm-Verbandes, Wladimir Salnikow, will den Vorwurf jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen, man würde die Athleten nicht informieren. Alle Mitglieder seien schon im Oktober 2015 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Meldonium ab Januar 2016 zu den verbotenen Substanzen gehöre. Auch das renommierte Fachportal Swimvortex berichtet von anderen russischen Athleten, die definitiv früh von der Regeländerung wussten.#

Beim letzten Mal glaubte ihr der Weltverband: Sie sei halt "naiv"

Die Causa Jefimowa belastet das Schwimmen seit Jahren. Bei der WM in Barcelona 2013 wurde sie Doppel-Weltmeisterin, keine acht Wochen später wurde sie zum ersten Mal positiv getestet: auf das anabole Steroid Dehydroepiandrosteron. Ihre Erklärung damals: Ein Nahrungsergänzungsmittel, dass sie seit ihrer Jugend nimmt, sei dafür verantwortlich. Sie hätte einen Fehlkauf getätigt, als sie in Amerika einkaufte, ihr Englisch sei so schlecht. Der Internationale Schwimmverband nahm ihr das ab. "Naiv" ist das Wort, das im Urteil oft vorkommt. Ihre Inszenierung als unwissende Athletin funktionierte, Jefimowas Sperre wurde von 24 auf 16 Monate reduziert - und endete zur WM in Kasan.

Die internationale Konkurrenz hat längst genug von Jefimowa. Ruta Meilutyte, Olympiasiegerin aus Litauen, sagte vor dem Start der Russin bei der Heim-WM: "Ich habe Julia immer als eine meiner stärksten Gegnerinnen respektiert, und es war eine große Rivalität zwischen uns. Aber jetzt sehe ich sie nicht mehr als aufrichtige ehrliche Kontrahentin." Über 100 Meter Brust führt Jefimowa derzeit die Weltjahresbestenliste an - vor Meilutyte.

Dass die beiden bei den Olympischen Spielen in Rio aufeinandertreffen, ist allerdings unwahrscheinlich: Sollte sich Jefimowa nicht doch noch als medizinisches Wunder herausstellen, wird sie gesperrt. Als Wiederholungstäterin womöglich lebenslang.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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