Schweiz:Sommeranfang

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Ohne albanische Ahnen, aber mit der besten Tagesform: Torwart Yann Sommer hielt den Schweizer Sieg fest. (Foto: Darren Staples/Reuters)

Gladbachs Torwart rettet den Sieg im Prestigeduell mit Albanien und erspart seinem Team harte Debatten - die nächsten Hürden sind höher.

Von Thomas Hummel, Lens

Auch als von überall Lob auf ihn niederfiel, blieb Yann Sommer sportpolitisch korrekt: Einen Vergleich mit Manuel Neuer lehnte der Schweizer Nationaltorwart trocken ab ("der beste Goalie der Welt") und wies darauf hin, dass eine Parade alleine noch niemanden zum Europameister gemacht hat: "Wir müssen einige Dinge korrigieren", sagte er. Doch der Appell drohte unterzugehen in einer Atmosphäre, in der alle Schweizer laut durchpusteten.

In dem kleinen Land musste man zuletzt den Eindruck gewinnen, dass diese EM nur aus einem einzigen Spiel bestehen würde: In der nordfranzösischen Stadt Lens sollte das erste Derby der EM-Geschichte steigen. Auf der einen Seite die Schweizer mit sechs Spielern, deren Eltern vor dem Krieg im Kosovo geflohen waren. Auf der anderen die Albaner mit zehn Fußballern im Kader, die in der Schweiz aufgewachsen sind, aber für das Land ihrer Vorfahren spielen. Am Ende entschied der kühle Sommer, einer der wenigen auf dem Platz ohne albanische Ahnen, mit einer kolossalen Parade die Partie. Die Mitspieler sparten nicht mit Danksagungen.

"Gott sei Dank war Yann da", sagte Granit Xhaka, der Sommer aus Gladbach bestens kennt. Kollege Xherdan Shaqiri zeigte in den Katakomben des Stadions auf Sommer - und rief: "Der beste Mann überhaupt war das!" 1:0 siegten die Schweizer durch ein Tor des Hoffenheimer Verteidigers Fabian Schär bereits nach fünf Minuten. Aber trotz fast einstündiger Überzahl nach der gelb-roten Karte für den Albaner Lorik Cana gelang ihnen keine frühe Entscheidung, die Furcht vor einer Blamage lähmte zunehmend ihre Taten. Ungeordnet überließen sie dem Albaner Shkelzen Gashi kurz vor Schluss die große Chance zum Ausgleich. Doch Sommer riss die Arme hoch, lenkte den Ball über die Latte.

Schon vor der Halbzeit hatte er gegen den allein durchgestarteten Albaner Armando Sadiku gerettet. Er verhinderte damit nicht nur das 1:1. Ein Punktverlust unter diesen Umständen hätte das wacklige Gefüge im Kader schwer erschüttert. Die Schweizer waren ohnehin verunsichert und ungewiss ob ihrer Stärke nach Frankreich gefahren. Es herrschen hohe Erwartungen an eine Generation, von denen viele im Jugendbereich große Erfolge gefeiert hatten. Doch seit Trainer Vladimir Petkovic das Amt von Ottmar Hitzfeld nach der WM in Brasilien übernommen hat, will es nicht mehr recht vorwärtsgehen.

Granit Xkaha ist "glücklich, dass dieses Spiel endlich vorbei ist"

Zudem entwickelte sich zeitweilig eine Debatte, ob in der sogenannten Nati die Einwandererkinder zu viel Einfluss bekämen und Spieler mit Schweizer Vorfahren benachteiligt würden. Das alles kulminierte im Derby mit Albanien. Die meisten machten keinen Hehl aus ihrer Erleichterung, dass alles gut gegangen war: "Ich bin glücklich, dass dieses Spiel endlich vorbei ist. Es ist so viel geschrieben und geredet worden", sagte Granit Xhaka, dessen Bruder Taulant für den Gegner spielte.

Yann Sommer beendete in Lens auch das Gerede um seine Position. Nach Deutschland verfügen die Schweizer um die wohl größte Anzahl an starken Torhütern, auch der Dortmunder Roman Bürki und der Augsburger Marwin Hitz gehörten zu den Besten der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Dass sich Petkovic so klar für Sommer entschied, war durchaus umstritten: "Seine Klasse ist nichts Neues für mich. Schön, dass er sie nun auch auf dieser Bühne zeigt", erklärte der Trainer. Auch der unglückliche Gashi huldigte Sommer: "Die Schweiz kann wirklich stolz sein, so einen Keeper zu haben."

Die Mannschaft muss nun damit klarkommen, dass die Aufgaben im Turnier nicht leichter werden: Es warten die durchaus beeindruckenden Rumänen - und Gastgeber Frankreich. Wie Yann Sommer bemühte sich auch Trainer Petkovic, die Nation darauf vorzubereiten: "Das war ein kleiner Schritt nach vorne. Aber wir brauchen nicht glauben, dass wir jetzt schon etwas sind."

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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