Rassismus:Italiens Problem

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Die Fifa ermittelt wegen des Rassismus-Falls um den Ghanaer Sulley Muntari in der Serie A. Aber erst, nachdem der Profi von Pescara den Verbänden Untätigkeit vorgeworfen hat. Muntari ermutigt seine Kollegen, im Notfall auch zu streiken.

Von Martin Schneider, München

Sulley Muntari deutete immer wieder auf seinen eigenen Arm, er war so wütend, dass er mit der rechten Hand fast schon auf seinen linken Unterarm schlug. Es lief die 88. Minute des Serie-A-Spiels zwischen Cagliari Calcio und Delfino Pescara, und Muntari stand direkt vor dem Schiedsrichter. Immer wieder deutete er mit der Hand auf den Unterarm und zeigte dann in Richtung der Zuschauer, sodass jeder sehen konnte, worüber er sich beschwerte: Die auf der Tribüne, sie haben mich wegen meiner Hautfarbe beleidigt. Er weigerte sich, weiterzuspielen.

Muntari ging bei der nächsten Spielunterbrechung wieder zum Schiedsrichter. Der zeigte dem Ghanaer die gelbe Karte, und weil Muntari das nicht fassen konnte, ging er Sekunden vor dem Schlusspfiff vom Feld - auf Videos hört man, wie Fans dazu Affenlaute machen. Bevor er in den Katakomben verschwand, stellte er sich noch mal vor die Tribüne, deutete auf seinen Arm und rief in Richtung der Cagliari-Fans "mio colore, mio colore" - das ist meine Farbe. Das Ergebnis: Weil er das Feld vorzeitig verließ, bekam Muntari nachträglich die gelb-rote Karte und wurde für ein Spiel gesperrt. Obwohl ein Berufungsgericht die Sperre wieder aufhob, ist der Fall nun zu einem Politikum geworden.

Fifa-Präsident Gianni Infantino nannte die Fans in Cagliari, die Muntari rassistisch beleidigten, "Idioten", die man "bekämpfen" müsse. Der Schiedsrichter hätte in diesem Fall anders handeln sollen. Er hätte das Spiel stoppen und die Spieler vom Platz nehmen müssen. Infantino kündigte an, er wolle mit Italiens Verbandschef Carlo Tavecchio und auch mit Muntari sprechen. Die Weltverbands-Generalsekretärin Fatma Samoura sagte, die Fifa werde eine Ermittlung starten.

Viele trauen sich nicht, sich zu wehren, sagt der Profi aus Pescara

Der Weltverband reagierte allerdings erst so entschlossen, nachdem Muntari die Fifa in einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC scharf kritisiert und ihr Untätigkeit vorgeworfen hatte. "Fifa und Uefa nehmen Rassismus nicht ernst", sagte Muntari dort. Noch vor einer Woche drückte die Fifa in einer Mitteilung zwar ihre Solidarität mit Muntari aus, meinte aber, die Zuständigkeit für den Fall liege bei den italienischen Verbandsorganen.

"Ich bin durch die Hölle gegangen. Sie haben mich wie einen Kriminellen behandelt", sagte Muntari vor der TV-Kamera. Wenn er wieder beleidigt werden sollte, würde er das Spielfeld erneut verlassen. Rassismus sei ein Riesenproblem in Italien. Viele schwarze Spieler hätten aber Angst, ihren Vertrag oder ihre Position zu gefährden, wenn sie sich wehren, sagte Muntari. Er ermutigte die Spieler, zusammenzustehen und im Zweifel zu streiken.

Der italienische Fußball hat seit Jahren ein Rassismusproblem. Der ehemalige FC-Bayern-Spieler Medhi Benatia wurde am vergangenen Samstag bei einem TV-Interview über Kopfhörer als "Scheiß Marokkaner" bezeichnet. Kevin-Prince Boateng verließ bei einem Freundschaftsspiel mit dem AC Mailand vor vier Jahren nach Beschimpfungen den Platz, Mario Balotelli wurde wiederholt von Fans und Funktionären beleidigt.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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