Qualifying:Auch ohne Hamilton kein Happy-End

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Schrecksekunde: Lewis Hamilton demoliert früh seinen Wagen. (Foto: Nelson Almeida/AFP)

Der englische Weltmeister rauscht in Brasilien zwar schon früh unsanft von der Piste, aber für Sebastian Vettel reicht es dennoch nicht zur Pole Position. Als Erster startet Valtteri Bottas.

Von Elmar Brümmer, São Paulo/München

Da war es wieder, das eine Wort, das noch daran erinnert, dass Nico Rosberg mal Formel-1-Weltmeister war: "Mega" könnte der Große Preis von Brasilien werden, wenn am Sonntag (ab 17 Uhr MEZ) der neue Champion Lewis Hamilton von ganz hinten kommen muss. Denn nach nur drei Minuten der Qualifikation klatschte der Brite seinen Silberpfeil in die Bande. Nutznießer dank einer dramatisch schnellen letzten Runde im Nieselregen war Teamkollege Valtteri Bottas, der mit der dritten Pole-Position seiner Karriere vor Sebastian Vettel aus der ersten Reihe startet. Das Duell des Finnen mit dem Heppenheimer wird die Entscheidung über den imaginären Titel des WM-Zweiten bringen, Vettel hat vor den beiden letzten Rennen noch 15 Punkte Vorsprung. "Ich war ein bisschen ängstlich auf der Bremse", begründet der Heppenheimer den Rückstand von 38 Tausendstelsekunden.

Einer der ersten Gratulanten bei Bottas war Hamilton, der sich in einen schwarzen Team-Parka gehüllt hatte und nicht ganz so missmutig durchs Fahrerlager von Interlagos stapfte wie zu erwarten gewesen war. Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda sprach davon, dass die Sache abgehakt sei, Lewis habe einen Fahrfehler zugegeben, jetzt gehe es nur noch darum, den Grad der Beschädigung am Auto festzustellen und den Mercedes zu reparieren. Ganz so eindeutig hat der Brite das allerdings nicht gesagt: "Ich kann eigentlich nicht erklären, wie das passiert ist. Es ist eine ungewöhnliche Erfahrung für mich, normalerweise passiert mir sowas nicht. Aber wir sind alle nur Menschen."

Der erste Auftritt als Weltmeister - und dann gleich ein Crash, der erste richtige Fehler im ganzen Jahr. "Da muss ich jetzt durch, so etwas macht das Leben auch interessant", relativierte Hamilton. Fünfmal in seiner Karriere musste er schon von ganz hinten starten, viermal kam er noch in die Punkte, dreimal davon aufs Podium - wie 2014 in Hockenheim. Zuletzt in Mexiko ging er nach einem Unfall in der ersten Kurvenkombination als Letzter wieder ins Rennen - und wurde als Neunter doch noch Champion. In Interlagos musste er 2009 von Position 17 starten und schaffte es als Dritter noch aufs Podium.

Der Engländer blieb ungewöhnlich lange im Cockpit sitzen

Der Unfallhergang ist klar, Hamilton verlor in Kurve sieben, einer engen Rechtskehre, das Heck des Autos, und rutschte dann quer über die Piste, ehe er seitlich in die Werbetafel vor den Reifenstapel krachte. Standesgemäß blieb das Auto an der Stelle der Bande stecken, die eine goldene Krone zeigt. In der Zeitlupe sieht man, wie sein Auto auf der unebenen Piste aufsetzt, ehe er die Kontrolle verliert. Vielleicht waren die Reifen für diese aggressive Herangehensweise noch nicht ganz auf Temperatur. Er funkte rasch "Ich bin okay", blieb aber ungewöhnlich lange im Cockpit sitzen. Nach dem Aussteigen inspizierte er besonders den linken Hinterreifen. Zum ersten Mal seit dem Großen Preis von Belgien im Spätsommer 2016 ist Hamilton damit schon im ersten Qualifying-Abschnitt ausgeschieden. Damit er am Rennen teilnehmen kann, musste Mercedes eine Sondergenehmigung bei den Rennkommissaren erbitten, da für die Nummer 44 keine gezeitete Runde gewertet werden konnte.

Es war ohnehin nicht so richtig Hamiltons Woche bisher. Erst die Enthüllung über seinen steuersparenden Privatjet im Rahmen der Paradise Papers. Und dann am Freitagabend der Schock nach dem Überfall auf einen Mercedes-Teambus. Sechs Mechaniker und der Busfahrer, die sich gegen 22 Uhr auf der Fahrt von der Strecke in Richtung Hotel befanden, wurden nur ein paar hundert Meter vom Autódromo José Carlos Pace entfernt angehalten und von den Kriminellen mit Waffen bedroht. Offenbar wurden Pässe und Uhren geklaut, angeblich sollen auch Schüsse gefallen und einem Mercedes-Mann eine Pistole an den Kopf gehalten worden sein. "Es muss mehr getan werden", forderte Hamilton. Auch ein gepanzertes Fahrzeug des Automobilverbandes Fia und Busse von Williams und Force India wurden angegriffen. Die Strecke von Interlagos liegt zwischen Armutsvierteln.

© SZ vom 12.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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