Pressezensur und Olympische Spiele:In der beschnittenen Welt

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Bericht aus dem Pekinger Pressezentrum: Die Seiten von Walt Disney funktionieren, die von Amnesty International nicht. Und: Es ist eine neue Erfahrung, dass überall Polizisten in Uniform auf- und ab spazieren und einen sogar auf dem Weg zum Hotelzimmer nach der Akkreditierung fragen.

Holger Gertz

Journalisten haben traditionell Schwierigkeiten mit ihrem technischen Equipment, und es kommt vor Beginn einer Großveranstaltung öfter vor, dass in einem Pressezentrum hektisch an Kabeln gerissen oder auch mal ein Laptop gegen die Wand geworfen wird. Vor den Olympischen Spielen in Peking richtet sich die Wut der Journalisten allerdings nicht gegen das kleine Gerät, sondern gegen den großen Apparat: China blockt Internet-Seiten, und das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist offenbar einverstanden mit dieser Zensur. Ein Versuch, durchgeführt mit mehreren Computern unterschiedlichen Fabrikats, beweist: Im Pressezentrum erscheint die chinesische Seite der BBC nicht, auch die der Deutschen Welle baut sich nicht auf, und wer etwas zu Tibet finden will, genauer zur Gewalt der Chinesen gegen die Tibeter, kommt bis zur Vorschlagsseite von Google, dann ist Schluss. Bei Falun Gong dasselbe: "Kann nicht angezeigt werden", heißt es im Info-Fenster, wahrscheinliche Ursache: "Es ist ein Problem mit der Website aufgetreten."

Klicken verboten: Die Internetnutzung gestaltet sich für Journalisten in Peking schwierig. (Foto: Foto: AFP)

Walt-Disney-Figuren als Tibeter-Teppich

So kann man das sehen, allerdings hatte das IOC in Gestalt seines Präsidenten Rogge noch vor Tagen versprochen, der Zugang zum Internet werde frei sein, jedenfalls dort, wo die Medien arbeiten. Die Medien arbeiten nicht nur in Pressezentren, es gibt auch Medienhotels, in denen die chinesischen Gastgeber die Internetnutzung in den Zimmern möglich gemacht haben. Das heißt, sie haben ein Kabel bereitgestellt, das man in den Laptop stöpselt, dann hat man Zugang zum Beispiel zu den Seiten von Walt Disney, denen des Landesverbandes Rheinischer Schweinezüchter, und auch das weltweite Pornoangebot erschließt sich in seiner ganzen Fülle. Die chinesische Seite der BBC öffnet sich im Medienhotel überraschenderweise auch.

Bei den kritischen Themen, bei Falun Gong und Tibet, ist es aber wie im Pressezentrum. Keine Seiten vom Schweizer "rainbownet", keine vom "Tibetfocus", und nur wenn man die harmlosen Begriffe gemeinsam mit den sogenannten heiklen eingibt, Walt Disney mit Tibet zum Beispiel, kriegt man die Verbindung zu einer Firma, die Walt-Disney-Figuren als Tibeter-Teppich anbietet. Amnesty International kann auch im Medienhotel nicht erreicht werden, allerdings springen sämtliche Seiten, die die Kommunistische Partei Chinas zum Inhalt haben und jubelnde Kommunisten vorführen, sofort auf.

Es ist eine beschnittene Welt, die sich schon nach zwei Tagen offenbart, im Netz und in der Realität. Es ist eine neue Erfahrung, dass im Foyer ein Polizist in Uniform auf- und ab spaziert und einen sogar auf dem Weg zum Hotelzimmer nach der Akkreditierung fragt. Aber es war auch nicht anders zu erwarten. Dass das IOC sich in der Internetfrage so devot verhält wie kürzlich beim Thema Tibet, kann ein Hinweis sein auf die Atmosphäre, in der die Spiele ablaufen werden. Die IOC-Seite im Netz preist in schönen Worten die olympische Idee, die viel mit Freiheit, Bildung, Respekt und all dem zu tun hat. Diese Seite ist auch in China überall verfügbar.

© SZ vom 01.08.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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