Philippinischer Boxer Manny Pacquiao:Wieder aufgestanden

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Jubel im Ring: Manny Pacquaio (Foto: Getty Images)

Wenn Manny Pacquiao in den Ring steigt, geht auf den Philippinen die Kriminalitätsrate zurück. Mit seinem Sieg gegen Brandon Rios ist dem kleinen Mann nun noch mehr gelungen: Er zeigt seinem Land, dass es weitergeht, wenn alles verloren scheint.

Von Jürgen Schmieder

Es war ein einziger Mensch, 1,69 Meter groß und knapp 67 Kilogramm schwer, der nach diesem Boxkampf in der chinesischen Stadt Macau auf den Ringseilen stand, sich vom Publikum bejubeln ließ und den Meister-Gürtel der World Boxing Organization umgehängt bekam.

Doch eigentlich standen da oben drei Persönlichkeiten: Zu sehen war der Boxer Manny Pacquiao, der nach diesem eindeutigen Sieg gegen Brandon Rios seine Karriere fortsetzen und auf weitere lukrative Kämpfe hoffen darf. Zu sehen war auch der Politiker Manny Pacquaio, der an diesem Abend nicht nur für sich, sondern für sein Heimatland Philippinen geboxt hatte. Und es stand da oben ganz einfach der Philippino Manny Pacquiao, der gar nicht da oben stehen wollte, sondern lieber daheim gewesen wäre bei seine Landsleuten, um ihnen zu helfen nach dem verheerenden Wirbelsturm.

Der Kampf ist schnell erzählt: Pacquiao dominierte seinen Gegner zwölf Runden lang und schlug dabei nicht nur sehenswerte Kombinationen, sondern Kombinationen von Kombinationen. Rios verlor bereits in der ersten Runde das Gleichgewicht, von der sechsten Runde an war sein Auge geschwollen, selbst unfaire Tiefschläge halfen ihm nicht weiter. Pacquiao war der schnellere, der präzisere, der wuchtigere Boxer. Er konnte seinen Gegner jedoch nicht zur Aufgabe zwingen und gewann deshalb deutlich nach Punkten.

Aber es war mehr als ein Boxkampf an diesem Abend in Macau, vor allem für Pacquiao.

Manny Pacquiao, 34, boxt seit jeher nicht nur für sich, sondern stets für ein ganzes Land, und das Archipel Philippinen war zuletzt wieder mal schlimm durch eine Naturkatastrophe getroffen worden, mehr als 5300 Menschen waren durch einen Taifun ums Leben gekommen, mehr als vier Millionen wurden obdachlos. Pacquiao sitzt seit 2010 im Kongress, er will irgendwann Präsident dieser Nation werden, die reich an Bodenschätzen ist, den Boom der asiatischen Tigerstaaten jedoch verpasst hat und immer wieder von Naturkatastrophen verwüstet wird.

Pacquiao ist auch als Politiker keiner, der glänzende Reden hält, er ist ein Macher: Einen Großteil seines Vermögens - er hat mit Boxen mehr als 300 Millionen US-Dollar verdient - hat er in die Infrastruktur des Landes investiert. Er krempelt nach Katastrophen die Ärmel hoch, packt mit an und schleppt Säcke.

Er wollte sein Training unterbrechen, als er von den Verwüstungen nach dem Taifun hörte. "Ich habe geweint und wollte sofort nach Philippinen fliegen", sagte Pacquiao vor dem Kampf, "ich habe meine Leute sofort in die Gegend entsandt und Essen geschickt. Essen ist jetzt die wichtigste Sache." Sein Trainer Freddie Roach habe ihn davon überzeugt, dass es sinnvoller sei, weiter zu trainieren und gegen Rios in den Ring zu steigen. Er solle kämpfen - nicht nur für sich.

Sportereignissen wird bisweilen eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der Super-Bowl-Sieg der New Orleans Saints im Jahr 2009 gilt als symbolisch für die Wiederauferstehung der Stadt nach dem Hurrikan Katrina, der Triumph des Baseballvereins Boston Red Sox in diesem Jahr als Zeichen der Stärke einer Stadt, die nur wenige Monate zuvor durch den Bombenanschlag während des Marathons erschüttert worden war.

Der Stolz des Landes

Der Boxer Pacquiao ist für die Philippinen noch bedeutsamer: Wenn er kämpft, herrscht Frieden auf dem stets umkämpften Archipel, die Kriminalitätsrate geht zurück. Pacquiao ist der Stolz dieses Landes, die Nachricht eines Sieges sollte den Menschen Trost spenden und ihnen zeigen, dass es auch dann weitergeht, wenn alles verloren scheint.

Das Duell mit Rios war auch für den Boxer Pacquiao von immenser Bedeutung, weil er zuvor zwei Duelle verloren hatte: Zuerst unterlag er Timothy Bradley äußerst umstritten nach Punkten, dann wurde er von Juan Manuel Marquez brutal niedergeschlagen. Pacquiao lag zwei Minuten lang regungslos auf dem Boden. Er war fertig, die Karriere schien vorbei. Doch er kehrte zurück, weil er seine Karriere als Boxer nicht als hilflos herumliegender Verlierer beenden wollte: "Ich will allen zeigen, dass ich immer noch boxen kann - ich will niemals negative Gedanken haben, sondern ausschließlich positive. Es geht immer weiter, auch wenn man mal verliert."

Pacquaio ist immer noch ein herausragender Boxer, das bewies er am Samstag in Macau. "Ich wollte nicht unvorsichtig sein wie bei meinem letzten Kampf, deshalb habe ich mich in den letzten Runden zurückgehalten und auf einen Niederschlag verzichtet", sagte er nach dem Kampf.

Er flog am Sonntag zurück nach Philippinen. Er sagt: "Ich will den Menschen dabei helfen, ihr Leben neu zu beginnen." Der Boxer Manny Pacquiao hat seinen Landsleuten am Samstagabend gezeigt, wie das geht. Die Arbeit für den Politiker und Philippino Manny Pacquaio indes hat gerade erst begonnen.

© SZ vom 25.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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