Olympische Spiele in Peking:Die Halbwertszeit des Goldes

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Abtauchen in der Karibik oder mitnehmen, was geht: Wie die deutschen Olympiahelden ihren Ruhm zu Geld machen - oder es zumindest versuchen.

Claudio Catuogno

Britta Steffen ist schon im Urlaub. Vier Wochen Mexiko. Die Eindrücke verarbeiten, den Kopf freikriegen, von der Schwimm-Olympiasiegerin wieder zum Mensch werden. "Das braucht sie jetzt", sagt ihre Managerin Regine Eichhorn, und niemand, der Britta Steffen dabei zugesehen hat, unter welchem Druck sie in Peking ihre beiden Goldmedaillen aus dem Wasser gefischt hat, würde bezweifeln, dass sie urlaubsreif ist. Aber entscheidend für die vier Wochen Mexiko ist natürlich etwas anderes. Entscheidend ist nicht, dass Britta Steffen die Zeit in der Karibik gut brauchen kann. Sondern, dass sie es sich erlauben kann, jetzt nicht in Deutschland zu sein.

Matthias Steiner: wenig Möglichkeiten zur Vermarktung. (Foto: Foto: dpa)

Matthias Steiner könnte sich das gerade nicht erlauben. Der Olympiasieger im Gewichtheben hat sich am Montag am Frankfurter Flughafen von seinen Begleitern verabschiedet und ist gleich weiter zu einer Sportgala nach Hamburg geflogen. Am Dienstag hat er sich in Chemnitz, seiner Wahlheimat, ins Goldene Buch eingetragen. In diesem Rhythmus geht es weiter.

Am Mittwoch trifft er den Bundesverkehrsminister, um eine Kampagne namens "Runter vom Gas" zu unterstützen. Vernunft im Straßenverkehr ist Steiner ein Anliegen; seine Frau ist, wie die ganze Welt jetzt weiß, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Weil Steiner ihr Foto bei der Siegerehrung in Peking bei sich trug, hat ihn die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in die Liste der zehn "denkwürdigsten Olympioniken" aufgenommen.

Matthias Steiner bräuchte jetzt auch dringend einen Manager. Bisher haben die Bundestrainer Frank Mantek und Michael Vater seine Pressetermine nebenbei organisiert, was nicht sehr schwierig war, weil es so gut wie keine Pressetermine gab. Jetzt haben sie alle angefragt, Jauch, Kerner, auch die Sender aus seinem Geburtsland Österreich. Und jede Menge Berater natürlich, die gerne mitverdienen würden. Steiner werde sich, so heißt es beim Bundesverband Deutscher Gewichtheber, in den nächsten Tagen für einen jener Manager entscheiden, die ihm auch eine langfristige Vermarktungsperspektive eröffnen. Wenn er denn die Zeit findet, die Offerten zu sichten.

239 Mails im Postfach

Britta Steffen war nach ihrer Rückkehr aus China nur in einer Talkshow zu Gast, am Dienstag wurde sie im ZDF ausgestrahlt. Auch Steffen hätte mehr Termine wahrnehmen können, 239 Mails hatte Regine Eichhorn Anfang der Woche in ihrem Postfach. Autogrammstunden, Sportfeste, alles gegen Gage. "Aber wir haben die Arbeit im Grunde schon vor Olympia gemacht", sagt Eichhorn. Seit Steffen bei der EM 2006 in Budapest ihren Weltrekord über 100 Meter Freistil schwamm, "verdient sie ziemlich gut". Zwar sei ihr Marktwert in Peking "nochmal extrem gestiegen", aber wie sich das finanziell auswirken kann, das werde mit den Sponsoren nun in aller Ruhe besprochen. "In vier Wochen", sagt Eichhorn, "erinnert man sich ja immer noch an ihre Goldmedaillen." Wobei sie auch zugeben muss: "Das ist eine vergleichsweise komfortable Situation."

Denn das ist ja die Frage, die alle deutschen Olympiasieger derzeit umtreibt. Erinnert man sich in vier Wochen wirklich noch an sie? Was ist die Halbwertszeit von olympischem Gold?

Fried Hinkelmann glaubt, man könne das nicht verallgemeinern. Hinkelmann arbeitet mit Jan Frodeno zusammen, dem Olympiasieger im Triathlon. Als "freundschaftlicher Berater", wie er sagt, man kennt sich seit Jahren. Nun trudeln die ersten Angebote ein, und Hinkelmann ist optimistisch, dass Frodeno auch langfristig von seinem Coup profitieren kann. Bisher stammen seine Sponsoren aus der Laufszene. "Jetzt müssten dank der bevorstehenden Fernsehauftritte auch größere Firmen merken, dass Jan ein extrem lockerer Typ ist", hofft Hinkelmann, der es für einen "Riesenfehler" hielte, würde sein Schützling jetzt "vier Wochen verschwinden".

Hinzu kommt im Fall von Frodeno, dass er als aktueller Olympiasieger jetzt vier Jahre lang Antrittsprämien verlangen kann. Wenn auch auf Triathlon-Niveau. Das ist vergleichsweise bescheiden im Vergleich zu den 1,5 Millionen Dollar, die der Jamaika-Sprinter Bolt alleine dafür bekommt, dass er bei den kommenden Leichtathletik-Meetings in Zürich, Lausanne und Brüssel an den Start geht (sollte er in Zürich seinen Hampel-Weltrekord über 100 Meter unterbieten, kriegt er ein Kilo Gold obendrauf).

Kein Getingel für Fabian Hambüchen

Anderswo wird Olympiasiegern lebenslanger Reichtum versprochen, in Deutschland erhalten sie 15000 Euro von der Sporthilfe, gestaffelt auf zwölf Monate. Ansonsten sind sie auf sich alleine gestellt - und extrem abhängig von den Begleitumständen ihres Erfolgs. Wie etwa Benjamin Kleibrink, dessen Fechtgold von dem der China-Kennerin Britta Heidemann in den Schatten gestellt wurde. Oder einige Kanuten, deren Namen man schon fast wieder vergessen hat.

"Für viele heißt das Motto jetzt wirklich: Mitnehmen, was geht", sagt der erfahrene Sportmanager Klaus Kärcher. Nicht so bei seinem Klienten: Florian Hambüchen. Der Turner hatte am Dienstag auch einen Sponsorentermin, beim TV Sexau, wo ein Mädchen eine Turnstunde mit ihm in einem Preisausschreiben gewonnen hatte. "Ansonsten machen wir aber kein Getingel", sagt Kärcher.

Hambüchens Verträge sind so gestaltet, dass ihm auch seine vierten Plätze von Peking Bonuszahlungen bringen. Und dass es am Reck nur zu Bronze gereicht hat, hält Kärcher sogar für einen Vorteil. Hambüchen habe nun das, was anderen, auch Olympiasiegern, fehle. Eine Geschichte zu erzählen, die jetzt nochmal vier Jahre trägt: "Der Traum von Gold geht weiter."

© SZ vom 27.08.2008/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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