Olympische Spiele:Beim König im Wort

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IOC-Ehrenpräsident Samaranch pflegt eine Allianz, die Madrid zum Olympia-Zuschlag für 2016 verhelfen soll. Sein Plan wird resolut abgearbeitet.

Jens Weinreich

Zwischen dem Glaspalast des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der alten Villa Mon Repos hat IOC-Präsident Jacques Rogge für ein paar Millionen Franken ein weiteres gläsernes Gebäude errichten lassen; man brauchte die Büros und die neue Cafeteria, Geld genug ist ja vorhanden.

Juan Antonio Samaranch zieht im Hintergrund immer noch die Fäden. (Foto: Foto: AFP)

Drinnen im marmornen Atrium steht Richard Carrion, ein Banker aus Puerto Rico und Chef der IOC-Finanzkommission. Er rechnet lässig vor, dass die Rücklagen des IOC in diesem Jahr um 14 Prozent auf 400 Millionen Dollar gestiegen sind. Eine Hälfte des Zuwachses verdankt man dem Dollarkurs, die andere Hälfte wurde, kaum zu glauben, an der Börse erwirtschaftet.

"Aber natürlich", sagt Carrion, "sind auch für uns die Zeiten nicht die besten." Deshalb werde die Entscheidung über die amerikanischen TV-Rechte 2014/2016 wohl erst später fallen - nach Vergabe der Sommerspiele 2016.

Privatinteressen statt Kollektivkonten

Am 2. Oktober 2009 vergibt das IOC die Spiele 2016 unter den Finalisten Tokio, Madrid, Rio de Janeiro und Chicago. Sollte Chicago gewinnen, wird die Bereitschaft der Sender - ob nun NBC, Fox, ESPN oder CBS - größer sein, hunderte Millionen Dollar mehr zu spendieren, Finanzkrise hin oder her. In US-Medien wird wild spekuliert, wie dieser Milliardenvertrag die Städtewahl beeinflussen könnte.

Andererseits: Spielt das wirklich eine Rolle? Traditionell lässt sich das IOC-Völkchen weniger von Kollektivkonten als von Privatinteressen leiten.

Küsschen für den Schmiergeld-Verteiler

Man muss sich nur umsehen im Marmorpalast: Zehn Meter neben Carrion, auf dem roten Ledersessel am Eingang, sitzt ein lang aufgeschossener Herr und macht eine Pause. Wer ist nicht alles auf ihn zu gerannt an diesem Vormittag, alle haben ihn herzlich, manche geradezu überschwänglich begrüßt, mit Umarmungen und Küsschen: Ob Albert von Monaco, der Russe Witali Smirnow, der Franzose Guy Drut, der gerade einen Korruptionsfall ausgesessen hat, oder IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch.

Der Herr, um den sich alle reißen, heißt Jean-Marie Weber, ein langjähriger Geschäftspartner des IOC. Zwischen 1989 und 2001 hat er als Boss des damaligen Sportmarketing-Giganten ISL/ISMM 138 Millionen Franken Schmiergeld an hohe Sportfunktionäre verteilt.

Dass Jean-Marie Weber zur letzten Sitzung des IOC-Exekutivkomitees im Olympiajahr in der Konzernzentrale auftaucht, ist ein Zeichen. Man wird Rogge am Donnerstag fragen müssen, warum sich das IOC nicht für die Empfänger der Schmiergeld-Millionen interessiert.

Auf der nächsten Seite: Warum Russland für Madrid arbeitet und ein Ukrainer 2013 IOC-Präsident werden soll.

Es gibt andere irritierende Zeichen, exakt zehn Jahre nachdem der Schweizer Marc Hodler am selben Ort über Bestechungen plauderte und damit die größte Krise der olympischen Bewegung auslöste. Am 11.Dezember 1998 sprach Hodler über "klare Korruption", organisierten Stimmenkauf, schmutzige Werbekampagnen und sagte: Er kenne keine Stadt, die Olympische Spiele auf "unangreifbare Weise" erhalten habe.

Hodler ist inzwischen verstorben. Zehn Jahre später ist Juan Antonio Samaranch, 88, der diese Kultur geprägt und vor zwei Jahren für Sotschi 2014 entscheidende Stimmen besorgt hat, erneut dabei, eine Olympiawahl zu entscheiden. Wer aus dem IOC bereit ist, vertraulich darüber zu reden, sagt, dass Samaranch weiterhin 30 bis 40 IOC-Stimmen kontrolliert. Er hat dem spanischen König Juan Carlos im Juli 2005 in Singapur unter Zeugen versprochen, dass er die Spiele 2016 nach Madrid holen werde. Er will seinen König nicht enttäuschen.

Am letzten November-Wochenende wurde in drei von 28 olympischen Sport-Weltverbänden gewählt - in allen drei Verbänden gewannen Spanier. Marisol Casado führt die Triathlon-Union (ITU), José Perurena Lopez den Kanu-Weltverband (ICF) und Leandro Negre den Hockey-Weltverband (FIH). Sie stimmen zwar am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen nicht mit ab, doch beweist ihre Machtübernahme, wie sehr Samaranchs Garde den Weltsport noch prägt.

Sergej Bubka als Rogge-Nachfolger

Die Pläne gehen weit über 2009 hinaus. In Kurzfassung: Samaranch hat geholfen, die Winterspiele 2014 nach Sotschi zu holen; die Russen-Fraktion, geführt von Wladimir Putin, dem Ehrenpräsidenten des europäischen Judo-Verbandes, mit all ihren Vasallen in Osteuropa, arbeitet geschlossen für Madrid. Samaranchs Prätorianer bedankt sich dafür im Jahr 2013, wenn Jacques Rogge seine zweite Amtszeit hinter sich hat und ein neuer IOC-Präsident gewählt wird. Nachfolger soll der Ukrainer Sergej Bubka werden. Das ist der Plan, der resolut abgearbeitet wird.

Die Vollversammlung der europäischen NOK, auch dies ein interessantes Detail, hat kürzlich in Istanbul einen Orden an den weißrussischen Diktator und NOK-Präsidenten Alexander Lukaschenko verliehen. Ein Vorfall, der manchen peinlich ist, doch niemand protestierte. Es ist ein Teil des großen Puzzles. Ein Gespenst geht um im IOC. Es ist das Gespenst der Restauration. Und es ist quicklebendig.

© SZ vom 11.12.2008/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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