Olympia süß-sauer (1):Der Fan Nummer 1

Beim olympischen Schwimmen ergibt sich der ideale Dreiklang: Halb Amerika schaut zu, Michael Phelps ist unschlagbar und der Präsident wedelt mit der Fahne. Aus der Reihe Olympia süß-sauer.

Thomas Hummel

Larsen Jensen hat schmale, tief liegende Augen, doch das Strahlen aus diesen kleinen Höhlen leuchtete plötzlich heller als die 3000 aufblasbaren Kissen an der Außenhaut der Pekinger Schwimmhalle bei Nacht. Nein, er hatte nicht Gold gewonnen wie sich das für einen amerikanischen Schwimmer ziemt, er war über 400 Meter Freistil Dritter geworden. Er freute sich über Bronze, klar. Aber da war noch etwas: "Es war ein tolles Gefühl, eine Riesen-Ehre für einen Schwimmer."

Olympia süß-sauer (1): Auf olympischer Tournee: US-Präsident George W. Bush.

Auf olympischer Tournee: US-Präsident George W. Bush.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Grund für Jensens Euphorie saß oben auf der Tribüne und wedelte fleißig mit einer kleinen US-Fahne. Der Präsident persönlich gab sich die Ehre, George W. Bush saß am frühen Pekinger Vormittag im Water Cube und gab den Fan Nummer 1. Es sei etwas ganz Besonderes, sagte Jensen, "vor dem Präsidenten schwimmen zu dürfen".

Auch Michael Phelps war gerührt. "Ich habe den Präsidenten nach dem Rennen gesehen, wie er geklatscht und mit der Fahne gewedelt hat. Das war ziemlich cool und eine große Ehre für mich", sagte der Goldjunge aus Maryland. Phelps hatte die Unterstützung von George W. Bush allerdings wirklich nötig.

Als die Amerikaner bei Phelps' Siegerehrung gerade Luft holten für die letzte Zeile, in dem ihr star-spangled banner "over the land of the free and the home of the brave" ("über dem Land der Freien und der Heimat der Tapferen") weht - da brach die Musik abrupt ab. Michael Phelps, dem die Tränen in den Augen standen, musste spontan lachen und wusste nicht so recht, wohin mit seiner Hand, die zuvor so schön am Herzen geklebt hatte. Da sprang George W. auf der Tribüne auf, wedelte wie nie zuvor und jubelte. Alle Amerikaner jubelten wie zum Trotz nun umso lauter - und die Situation war gerettet.

Vater George trocknet Tränen

Nun ist es nichts Besonderes, dass sich hohe Politiker gerne mit Siegern im Sport sehen lassen. Siehe Gerhard Schröder und Angela Merkel, den alten Fußballfans. So kommt es wenig überraschend, dass der US-Präsident derzeit im Water Cube sitzt. NBC hat 890 Millionen Dollar bezahlt, damit die Endläufe in Peking früh morgens, also zur Prime Time in den USA geschwommen werden. Es ergibt sich so der ideale Dreiklang: Halb Amerika schaut zu, Michael Phelps ist unschlagbar, der Präsident wedelt mit der Fahne.

Den sicheren Instinkt der Selbstinszenierung hat der gute George W. wohl von seinem Vater George. Der ehemalige Präsident kam gleich mit nach Peking und schlug zielsicher bei der Siegerehrung der Säbel-Frauen auf. Dort holten sich gleich drei Landsfrauen die ersten Medaillen für das US-Team ab. Es gab rührige Bilder mit Freudentränen und einem väterlichen Herrn Bush, der fürsorglich ein Taschentuch reichte. Silbermedaillen-Gewinnerin Sada Jacobsen gab zu Protokoll: "Das war schon einer der surrealsten Momente meines Lebens. Ich hätte es behalten sollen."

Deutsche Wirtschaft klagt

Wie lange die Bush-Familie noch in Peking Gutes tun wird, ist unbekannt. Gestern hatte sich George W. mit Beachvolleyballerinnen ablichten lassen. Was das alles soll? Nun ja, er muss zwar keine Wahl mehr gewinnen, aber ein bisschen Glanz der Siegertypen schadet nie. Außerdem haben sich die Chinesen sicher gefreut über einen so hohen Gast, nachdem es zuvor im Westen der Welt so viel Kritik gegeben hatte. Auch Nicolas Sarkozy aus Frankreich oder Wladimir Putin aus Russland waren ja da.

Die deutsche Bundeskanzlerin dagegen fehlte, auch sonst hat sich bislang kein deutscher Spitzenpolitiker sehen lassen. Zu deren Fernbleiben sagte der Vorstand eines Dax-Unternehmens: "Das wird die deutsche Wirtschaft Milliarden kosten." Das NBC-Phelps-Bush-Unternehmen läuft dagegen wie geschmiert.

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