Olympia:Endlich: Sportler dürfen für Müsli werben!

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Laura Dahlmeier aus Deutschland zeigt ihre Medaillen bei der Biathlon-WM. (Foto: dpa)

Auf Druck des Bundeskartellamts lockert das IOC seine Werberegeln für Olympia. Der Fall zeigt jedoch: Sportler dürfen wenig, Funktionäre aber alles.

Kommentar von Claudio Catuogno

Mal angenommen, der Kombinierer Eric Frenzel gewinnt im Februar eine Olympia-Medaille: Dann dürfen sich auch ein regionaler Stromanbieter und ein Hersteller homöopathischer Arzneimittel mitfreuen. Seine Sponsoren. Sie dürften sogar twittern vor Freude, etwa diesen bisher streng verbotenen Satz: "Glückwunsch an Eric Frenzel zu seiner Medaille!" Ja, wirklich: Niemand wird in Zukunft mehr für so eine Grußbotschaft mit Sanktionen belegt!

Oder angenommen, Laura Dahlmeier wird Olympiasiegerin im Biathlon: Dann dürfte sie bei Facebook oder Instagram ein Foto einstellen, das sie bei der Siegerehrung zeigt, und sogar dazuschreiben: "Danke, Kornspitz!" Zu Dahlmeiers Förderern zählt eine Teigfirma.

Athleten sollen viel sollen und wenig dürfen

Als Sponsor das Wort "Medaille" twittern oder als Sportler den Namen eines Sponsors: Bei Olympia war das bisher grundsätzlich tabu! Athleten, die bei den Spielen mitmachen wollen, müssen die Regel 40 Nr. 3 der Olympischen Charta anerkennen, darin steht, dass in einer "frozen period" vor, während und nach den Spielen private Sponsoren schweigen müssen. Offiziell, um eine "Überkommerzialisierung" der Spiele zu verhindern. In Wahrheit natürlich, um die Exklusivität der IOC-Sponsoren zu schützen.

Sportler des Jahres
:Dahlmeier und Rydzek sind "Sportler des Jahres"

Die Biathletin setzt sich bei der Abstimmung deutlich durch, der Kombinierer knapp. Die Beach-Volleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst werden als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet.

Für viele Sportler ist das ein Problem: Sie leben von ein paar Hundert Euro Sporthilfe im Monat und sind darauf angewiesen, dass ihnen die Kreissparkasse einen Kleinwagen hinstellt oder der regionale Müsliproduzent das Frühstück spendiert. Aber wenn dann Sparkasse und Müslifirma im Moment der größten Aufmerksamkeit - während Olympia, dem Saisonhöhepunkt - auch mal darauf hinweisen wollen, dass sie übrigens mitgeschrieben haben an der Erfolgsgeschichte: Dann kommt Post vom Anwalt!

Dass diese Restriktionen ein bisschen gelockert werden, dass zum Beispiel weniger Alltagsworte wie "Medaille" auf den Verbotslisten stehen, dass beim Retweeten mehr Freiheiten gelten - das ist nicht vorrangig einer Einsicht beim IOC zu verdanken. Sondern dem Druck, den das Bundeskartellamt mit einem Verfahren erzeugt hat, welches es gegen das IOC und den Deutschen Olympischen Sportbund führt. Man vermute "einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung" von IOC und DOSB, teilte das Amt am Donnerstag mit. Da waren die Dachorganisationen vorsichtshalber bereits abgerückt von der ganz harten Linie.

2018 wird wieder eines dieser Sporthighlightjahre - mit Olympia, der Fußball-WM, mit den European Championships in Glasgow und Berlin, einem neuen EM-Event diverser Sommerdisziplinen. Und eines kann man jetzt schon sagen: Alle zerren an den Athleten. Sie sollen siegen, strahlen, aber bitte auch Niederlagen mit Anstand ertragen. Sie sollen ihr Land würdig vertreten, aber bitte, indem sie sich auf den Sport fokussieren. Sie sollen viel sollen und wenig dürfen, das unterscheidet sie von den Funktionären.

Der russische Vize-Premier Witalij Mutko soll Chef des WM-Organisationskomitees bleiben, obwohl er eine Schlüsselfigur ist in der russischen Dopingaffäre. Gianni Infantino, der Fifa-Boss, darf die unbequemen Vorsitzenden der Fifa-Ethikkammern abservieren und durch untätige Marionetten ersetzen. Der Emir von Katar darf dem Brasilianer Neymar 222 Millionen Euro geben, damit er sich beim FC Barcelona freikauft für den Katar-Klub Paris Saint-Germain.

Aber wenn man als Sportler mal "Danke" sagen will, dann bitte nur an Mama und Papa. Gut, dass sich nicht nur das Bundeskartellamt, sondern auch immer mehr staatliche Ermittlungsbehörden dafür interessieren, was man in den Zirkeln des Sports bisher alles so darf.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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