Olympia:Die Last nach der Wahl

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Deutschlands erfolglose Schwimmer und Fechter haben neue Präsidentinnen. Gabi Dörries und Claudia Bokel stehen vor gewaltigen Aufgaben.

Von Volker Kreisl, München

Neu gewählte Vorsitzende versprühen meist Optimismus und freuen sich auf die Herausforderungen. Bei den neu gewählten Präsidenten des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) und des Fechter-Bundes (DFeB) war die Stimmung anders. Schwimm-Chefin Gabi Dörries verspürte eine "schwere Last". Fechter-Präsidentin Claudia Bokel sagte, "wenn ich nicht Fechterin gewesen wäre, hätte ich diese Aufgabe nicht übernommen". Dörries erahnt einen "Berg Arbeit", Bokel prophezeit, man werde "Federn lassen".

Riesige Lust auf Zukunft klingt anders, dabei ist es gar nicht so schlecht, wenn die beiden sofort zur Arbeit schreiten, indem sie den Finger in die Wunde legen. Sie verantworten nun jene beiden traditionellen Sommersportarten, die wohl vor den größten Problemen stehen. Die Fechter brachten 2016 erstmals keine Mannschaft zu den Olympischen Spielen, ihre vier Einzelfechter gingen leer aus, gar keine Medaille gab es zuletzt vor 36 Jahren. Auch die Beckenschwimmer stecken in einem Langzeit-Tief: Wie in London gab es auch in Rio keine Medaille. Die Miseren sind strukturell bedingt, die Blockaden der eigenen Ressourcen gründen im großen deutschen Interessensgeflecht. Dies lösen zu müssen, darf man als "schwere Last" empfinden.

Neue Präsidentin des Schwimmverbandes: Mit 89 Prozent Zustimmung setzt sich Gabi Dörries gegen beide Mitbewerber klar durch. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Kurz gesagt gibt es nach dem neuen Spitzensport-Konzept des Dachverbandes DOSB für dauerhaft weniger Erfolg auch weniger Geld. Schwimmer wie Fechter müssen den weiteren Weg aus der Krise zurück aufs Treppchen nun also mit gekürzten Mitteln schaffen. Fest steht, dass die Bundesstützpunkte der Fechter auf drei reduziert werden: Bonn, Dormagen und Tauberbischofsheim. Um wie viel sonstige Mittel gestrafft werden, darüber wird mit beiden Verbänden noch verhandelt. Dabei könnte ein Vorteil darin liegen, dass die neuen Präsidentinnen von ihren Delegierten jeweils ein klares Mandat bekamen und neu zusammengestellten Vorständen vorsitzen. Die Wahlen waren also auch ein Zeichen dafür, dass die Basis es ernst meint mit dem Neuanfang.

Ein Teil der Anstrengungen gilt der Lücke, die durch den Entzug von Mitteln aus der Spitzensportförderung entsteht. Gabi Dörries war mit der Forderung nach einer Anschubfinanzierung von 50 Cent pro Schwimm-Mitglied pro Jahr angetreten, die Delegierten genehmigten den Plan vorerst nur für 2017. Das, sagt Dörries, sei zu wenig, sie will nachverhandeln. Die Fechter setzen auf neue Sponsoren und auf den Schub, den die WM in Leipzig im Juli geben könnte. Beide Verbände stürzen sich nun in die Arbeit, die Schwimmer bilden Kommissionen, die das neue Präsidium beraten sollen, die Fechter verfassen Konzepte, wie der Nachwuchs weiterhin gefördert werden kann.

Neue Präsidentin des Fechter-Bundes: Die ehemalige Degenfechterin Claudia Bokel hatte keinen Gegenkandidaten. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Junge Menschen, die richtig Lust aufs Schwimmen oder Fechten haben, gibt es hierzulande nach wie vor genügend. Das Problem ist, dass ein großes Talent, um in eine Olympia-Auswahl zu kommen, Hindernisse überwinden muss. Es braucht je nach Reife die forderndste Trainingsgruppe und den besten Trainer. Der arbeitet meistens weit weg, das Talent muss aber auch nebenbei die Schule absolvieren, vielleicht einen Heimtrainer hinter sich lassen, der es nicht ziehen lassen will, es muss später studieren und Geld verdienen. Selbst wenn es gelingt, die Bundestrainer vernünftig zu bezahlen und an den Stützpunkten ein Elitetraining durchzuführen, so bleiben immer noch die typischen Streitpunkte der deutschen Vereins-, Landes- und Bundesverbandsstruktur.

In allen erfolgreichen Disziplinen hat man es geschafft, die meisten Talente dort unterzubringen, wo sie privat und sportlich wirklich vorankommen. Ob mit oder ohne Spitzensportreform - darum, diese Aufgabe endlich zu lösen, wären Fecht- und Schwimmverband ohnehin nicht herumgekommen.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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