Österreich:Der Zucker-Beauftragte

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Zuständig für den Sound der Nationalmannschaft und den Österreichern ein wenig zu mitteilungsfreudig: David Alaba (l.), hier nach einem Qualifikationsspiel gegen Schweden im September. (Foto: Robert Jaeger/dpa)

Für sein Land spielt David Alaba eine andere, noch wichtigere Rolle als beim FC Bayern. Bei seinem ersten großen Turnier will er beweisen, dass er ein Mittelfeldspieler ist.

Von Ulrich Hartmann, Mallemort

David Alaba ist gerade mal 23 Jahre alt und muss es bereits vielen Menschen Recht machen. Seinem Klubtrainer Pep Guardiola diente der österreichische Fußballer als Außenverteidiger, während er bei seinem Nationaltrainer Marcel Koller im defensiven Mittelfeld spielt. Aber das ist für Alaba nicht mal die größte Herausforderung. "Es ist kein Geheimnis, dass ich da flexibel bin", sagt er entspannt. Mehr Mühe bereitet ihm da schon die Musikauswahl für die Nationalmannschaft.

Alaba gilt als offizieller DJ des österreichischen Teams, doch die musikalischen Geschmäcker in der Mannschaft sind recht verschieden, "und da ist es gar nicht so einfach", sagt Alaba, "es immer allen recht zu machen." Eine gewisse musikalische Flexibilität muss er sich also erst noch aneignen. Mindestens in dieser Hinsicht wird ihn die Europameisterschaft in Frankreich also weiterbringen.

Sein Mitteilungsbedürfnis in den sozialen Netzwerken ist dem Verband zu groß

Es ist ein besonders aufregendes Jahr für den an Aufregung ja durchaus gewöhnten Alaba: deutscher Meister und Pokalsieger mit dem FC Bayern München, Halbfinal-Aus in der Champions League, Abschied vom Trainer Guardiola, Vorbereitung auf dessen Nachfolger Carlo Ancelotti - und jetzt auch noch eine Europameisterschaft. Kein Wunder also, dass er ein bisschen übersprudelt. Dass sich sein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis aber in hoher Frequenz in den sozialen Netzwerken niederschlug, hat den Verantwortlichen beim österreichischen Fußballverband nicht so gut gefallen. Zu viele Fotos, zu viele Kommentare, zu viel Snapchat. Man habe den Spielern bloß noch einmal verdeutlicht, was man von ihnen erwarte und was nicht, hieß es offiziell zu der Schlagzeile, Alaba habe einen Rüffel erhalten für seine Freizügigkeit im Netz.

Als Alaba am Samstagmittag in der Pressekonferenz im österreichischen Quartier im provencalischen Mallemort gefragt wurde, wie und wo er zwischen den Trainingseinheiten am liebsten seine freie Zeit verbringe, ob beim Tischtennis, Billard, Darts, Poker oder an der Playstation, da hat er sich demonstrativ zurückhaltend gegeben. "Auf'm Zimmer, schlafen", hat er lakonisch geantwortet.

Die Österreicher, die erst am Dienstagabend ins Geschehen eingreifen und in Bordeaux gegen Ungarn spielen, haben sich viel vorgenommen. Da ist die Regeneration mindestens so wichtig wie das Training. Ausgangs einer langen und intensiven Saison mit dem FC Bayern hegt Alaba große Erwartungen: Er will mit Österreich ins Achtelfinale - und er will der Welt zeigen, dass er kein Verteidiger ist, jedenfalls nicht nur. Seine österreichische Position im defensiven Mittelfeld an der Seite von Julian Baumgartlinger ist ihm nämlich lieber als jene beim FC Bayern in der Linksverteidigung: "Ich will bei dieser EM beweisen, dass ich im Mittelfeld spielen kann."

15 Spieler im Kader der Österreicher spielen in Deuschland

Alaba ist einer von 15 Spielern im 23er-Kader, die ihr Geld in Deutschland verdienen. Von den restlichen acht haben außerdem fünf eine Vergangenheit im deutschen Profifußball. Im österreichischen EM-Kader steckt mehr deutscher Ligafußball als in der deutschen Nationalmannschaft.

Alaba ist unter all den weitgehend etablierten Profis das Aushängeschild des Teams. "Naja, ich weiß schon, dass ich gerade bei jungen Fans beliebt bin", sagt er ein bisschen verschämt, aber darüber hinaus hat er im defensiven Mittelfeld auch eine taktische Schlüsselposition in der Mannschaft. Ob er seine Rolle da eher defensiv oder offensiv mit Torgefahr interpretiert, "das hängt ganz vom Gegner ab", sagt er. Am Dienstag gegen die Ungarn könnte auf die Österreicher eine eher dominante Rolle zukommen. "Das Eröffnungsspiel hat gezeigt, dass man hier unbedingt jeden Gegner ernst nehmen muss", sagt Alaba. Das hat er als Erkenntnis mitgenommen aus dem Teamabend in der hoteleigenen Player's Lounge. "Ein Zuckerl", nennt der Stuttgarter Abwehrspieler Florian Klein den 2:1-Siegtreffer durch den Franzosen Dimitri Payet. Gegen so ein Zuckerl hätten die Österreicher am Dienstagabend auch nichts einzuwenden - dafür ist Alaba da.

"Ich traue der Mannschaft viel zu", sagt er, aber man müsse sich zunächst voll und ganz auf das erste Spiel konzentrieren. Diese Botschaft ist für ihn allerdings derart selbstverständlich, dass er sie nicht einmal im Internet gepostet hat.

© SZ vom 12.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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