Nico Schulz in der deutschen U 21:Ausgeschlafen nach Rio

Lesezeit: 2 min

Stark auch in der Offensive: Nico Schulz. (Foto: AP)

Sein Tor bringt Deutschland ins Halbfinale: Der Berliner Abwehrspieler Nico Schulz überrascht bei der U-21-EM als Außenstürmer. Jetzt ist er auch ein Kandidat für das große DFB-Team.

Von Matthias Schmid, Prag

An diverse Prager Sehenswürdigkeiten kann sich Nico Schulz nicht mehr erinnern. Klar, die Burg, der imposante Hradschin trohnt 70 Meter über der Stadt und ist oben auf dem Hügel kaum zu übersehen. Aber die Teynkirche? Dass deren Giebel im gotischen Stil eine goldene Madonna ziert, hat der Kicker der U-21-Nationalmannschaft erst während der Europameisterschaft wahrgenommen, als er an einem freien Nachmittag mit ein paar Kollegen über den Altstädter Ring flanierte.

Als der Profi von Hertha BSC vor zwei Jahren erstmals Prag bereiste, war ihm viel Schönes entgangen. Die Abschlussfahrt der Berliner Aufstiegsmannschaft endete nämlich vornehmlich in Bars. "Wir waren fast drei Tage am Stück wach", erinnert sich Schulz.

Dass er diesmal sehr viel ausgeschlafener ist, hilft ihm auch auf dem Platz. Beim 1:1 im finalen deutschen Gruppenspiel gegen Tschechien am Dienstagabend war der 22-Jährige nicht nur wegen seines Führungstreffers (55.) auf ungewohnter offensiver Position einer der auffälligsten deutschen Spieler, wenn nicht sogar der beste: Sein Tor trug die deutsche Mannschaft von Horst Hrubesch am Ende ins Halbfinale und nach Rio, wo im nächsten Jahr die Olympischen Sommerspiele stattfinden.

U-21-Nationalmannschaft im EM-Halbfinale
:Auf die holprige Art

Die deutsche U-21-Nationalmannschaft qualifiziert sich nach einem mühseligen Unentschieden gegen Tschechien gerade noch für das EM-Halbfinale. Trainer Horst Hrubesch kritisiert seine Spieler. Aber nur, weil sie nicht gejubelt haben.

Von Matthias Schmid

Der Abwehrspieler Schulz im Angriffsmodus? Es war in der Tat eine gelungene taktische List, die sich Hrubesch und sein Trainerteam gegen die Tschechen hatten einfallen lassen. Schulz, gelernter Linksverteidiger, spielte plötzlich als Außenstürmer vor Christian Ginter. "Nico hat viel Tempo nach vorne", begründete Hrubesch seine Entscheidung. Bereits am Sonntag hatte der Berliner erfahren, dass er vorne links spielen wird, wo beim 3:0-Sieg gegen Dänemark noch Amin Younes zauberte und seine Gegenspieler in den Wahnsinn dribbelte.

Groß umstellen musste sich Schulz aber nicht. "Diese Position ist nichts Neues für mich", sagte er nach dem Spiel. Bei der Hertha hatte er in der vergangenen Saison schon häufiger als Außenläufer gespielt. Er ist schnell, robust, furchtlos und kann so flanken, dass die Bälle auch beim Mitspieler ankommen.

Als Torschütze war er bislang nicht aufgefallen, auch wenn Hrubesch behauptete, dass er schon einige Treffer von Schulz gesehen habe. In der ersten Liga hat er in 51 Spielen erst einmal getroffen, am 27. Spieltag gegen Paderborn. Doch warum eigentlich? Schon in der ersten Hälfte hatte er eine gute Chance, als er von außen in Höchstgeschwindigkeit in den Strafraum sprintete, quer am Sechzehner entlang lief, und eine Lücke suchte, die er schließlich fand. Heraus kam aber eher ein Schüsschen, weil er mit rechts abzog. Sein schwächerer Fuß.

Er kennt seine Mängel: "Aber es ist jetzt nicht so, dass ich gar nichts mit dem rechten Fuß kann", sagt Schulz, "ich habe den Ball einfach nicht sauber getroffen, ich kann das eigentlich besser."

U-21-Torwarttrainer Thomforde
:"Wenn du alles beherrschst, brauchst du keine Faxen"

Einst ein Keeper mit ausufernden Emotionen, heute DFB-Torwarttrainer der U 21: Klaus Thomforde spricht über verrückte Torhüter und verrät, wann selbst der ruhige Marc-André ter Stegen laut wird.

Von Matthias Schmid

Die Klarheit geht ihm auf den Platz bisweilen noch ab. Manchmal spielt er zu umständlich, unsauber. "Aber er hat eine erfreuliche Entwicklung genommen", sagt Hansi Flick. Der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) fahndet bei der U-21-EM auch im Auftrag von Bundestrainer Joachim Löw nach geeigneten Kandidaten für die verwaiste linke Verteidigerposition in der Elf des Weltmeisters. Schulz zählt zu den Kandidaten, die nach der EM mal eine Einladung für die A-Nationalmannschaft erhalten könnten, wie Flick andeutete.

Flick wird deshalb auch gerne hören, dass Schulz selbst die Verteidigerposition präferiert. "Ich spiele fast lieber defensiv, weil ich da aus der Tiefe kommen und meine Schnelligkeit noch besser ausspielen kann", sagt er.

Nico Schulz ist nun selbst gespannt, welche Position Horst Hrubesch für ihn im Halbfinale vorgesehen hat. Er geht fest davon aus, dass Olmütz nur eine Zwischenstation ist und er wieder nach Prag zurückkommen darf. "Wir wollen hier unbedingt den Titel gewinnen", sagt der Berliner. Ob er danach vorhat, wieder drei Tage nicht zu schlafen, behält er aber für sich.

© Süddeutsche.de/schma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: