NHL-Torhüter Philipp Grubauer:Nummer eins

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Sicherer Rückhalt: Philipp Grubauer von den Washington Capitals (Foto: Pablo Martinez Monsivais/AP)

Der deutsche Nationaltorwart Grubauer steigt zum Playoff-Start der NHL überraschend zum Stammtorhüter in Washington auf.

Von Johannes Kirchmeier, Washington/München

Im T-Shirt setzte sich Philipp Grubauer an den Tisch auf der Dachterrasse eines Cafés hoch droben am Irschenberg. Es war ein warmer Junitag im vergangenen Jahr. Viel weiter weg von seinem Leben als Eishockey-Torhüter in der nordamerikanischen Hockey-Liga konnte der gebürtige Rosenheimer vermutlich gar nicht sein. Und doch drehte sich vieles in diesem SZ-Interview mit dem deutschen Nationaltorwart um die Arbeit in den frischen Eishallen. Grubauer kam gerade von der Heim-Weltmeisterschaft in Köln, bei der er Deutschlands Nationalmannschaft als Last-Minute-Verstärkung bis ins Viertelfinale führte. Das verlor das DEB-Team dann zwar 1:2 gegen Kanada, Grubauer hielt jedoch 48 von 50 Schüssen. Er hatte endgültig unter Beweis gestellt, dass er einer der stärksten Torhüter der Welt sein kann.

Bei seinem NHL-Klub Washington Capitals durfte er das ja nur sporadisch tun. Grubauer war die Nummer zwei hinter dem Ausnahmekönner Braden Holtby, er war damals vor einer Gabelung auf seinem Karriereweg angekommen. Er war einer der Torhüter-Kandidaten für das neue NHL-Team in Las Vegas. "Natürlich ist Washington eine schöne Stadt", sagte er unter dem Sonnenschirm. "Die Mannschaft ist super, der Trainerstab. Es würde mir aber nichts helfen, wenn ich noch einmal auf der Bank sitzen würde und nur 20 Spiele mache. Es wäre an der Zeit, dass ich irgendwo um einen Nummer-eins-Platz kämpfen könnte." Sein Vertrag lief aus, die Hoffnung auf mehr Spielzeit schien sich nach der starken WM zu erfüllen.

In Washingtons erster Playoff-Partie spielte Grubauer als Nummer eins

Doch es schien nur so, Las Vegas verzichtete auf ihn, die anderen Klubs griffen ebenfalls nicht zu. Er verlängerte daraufhin seinen Vertrag bei den Capitals. Bereit für eine neue Saison als Nummer zwei.

Doch auch das schien nur so. Grubauers Wunsch hat sich erfüllt, überraschenderweise in Washington. 35 Saisonspiele hat er absolviert, die meisten davon solide. "Es hilft mir, immer mehr zu spielen", sagte Grubauer. "Wenn man auf der Bank sitzt, kann man gut zuschauen, aber man muss die Erfahrung machen." Vom 1. November bis zum Ende der Hauptrunde führte er die NHL-Statistik mit einem Gegentorschnitt von 2,06 an. 93,2 Prozent der Schüsse auf sein Tor hielt er, in dieser Statistik lag er gleichauf mit Roberto Luongo von den Florida Panthers vorne. Nirgendwo werden so viele Statistiken zu Rate gezogen wie im US-Sport - und fast überall lag Grubauer weit vor der eigentlichen Nummer eins Holtby, der dagegen die schlechtesten Werte der vergangenen acht Jahre aufwies.

Die Belohnung dafür erhielt Grubauer in der Nacht auf Freitag mitteleuropäischer Zeit: Der 26-Jährige hat das erste Playoff-Spiel der Capitals gegen Columbus als Nummer eins bestritten. In der Verlängerung verlor Washington 3:4, den Torhüter traf dabei keine Schuld. Ob er in Spiel zwei der "Best-of-seven"-Serie wieder startet, ließ der Coach Barry Trotz jedoch offen: "Wenn wir zurückblicken, hat Philipp heute einen soliden Job gemacht. Wir setzen uns jetzt hin und bewerten alle Tore, bewerten unser Team und wo wir stehen - und dann entscheiden wir, wie es weitergeht."

Den Topspieler Crosby brachte Grubauer bereits Anfang April zur Verzweiflung

Trotz weiß allerdings um eine wegweisende Partie von Anfang April, in der Grubauer stark ans WM-Viertelfinale erinnerte. 3:1 siegte Washington damals gegen Pittsburgh. Das Duell hatte seine Vorgeschichte: In den beiden Vorjahren scheiterten die Hauptstädter jeweils im Playoff-Halbfinale der Eastern Conference am späteren Stanley-Cup-Sieger Pittsburgh, mit Holtby im Tor. Nun erhielt Grubauer die Chance, sich zu beweisen - und er hielt in seinem 100. NHL-Spiel spektakulär, wehrte 36 Schüsse ab, brachte mit einem flinken Fanghand-Save den kanadischen Topspieler Sidney Crosby zum Verzweiflung.

Diese Szene hat sich nicht nur bei Crosby eingeprägt, sie verbreitete sich in den USA schnell und vielfach. Inzwischen wissen die Manager der NHL-Klubs noch ein bisschen mehr, was dieser Deutsche kann. Daher dürfte Grubauer auch nicht allzu bange sein, falls er nach der Auftaktniederlage gegen Columbus doch wieder auf die Bank rutschen sollte. Denn sein Vertrag läuft auch nach dieser Saison aus, und es dürfte wieder freie Plätze auf dem Torhütermarkt geben; zudem dürfte auch Washington noch einmal verstärktes Interesse an einer Verlängerung haben. Und im Vergleich zur Zeit ums Sommer-Interview auf dem Irschenberg hat sich die Verhandlungsposition von Grubauer deutlich verbessert. Um seinen Nummer-eins-Platz kämpft er ja schon lange.

© SZ vom 15.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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