Motorsport:Testlauf für den rechten Arm

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Gute Laune in der Box: Robert Kubica (links) hat sich durch Operationssäle und Physio-Folterkammern gekämpft und ist zurück im Formel-1-Cockpit. (Foto: Tomasz Jastrzebowski/imago/East News)

Sechs Jahre nach seinem furchtbaren Unfall in einem Fabia lenkt der polnische Rennfahrer Robert Kubica wieder ein Formel-1-Auto.

Von Elmar Brümmer, Mogyorod

Zehnmal links, sechsmal rechts, schon ist die Runde rum. Das klingt so einfach. Ist es aber nicht. Die 4381 Meter Asphalt, die sich bei Budapest als Hungaroring durch eine Talsenke schlängeln, sind das staubige Monte Carlo der Formel 1. Der Kurs ist technisch anspruchsvoll, eine Höchstbelastung für die Fahrer. Drei Tage nach dem Großen Preis von Ungarn finden an diesem Mittwoch in Mogyorod die letzten Testfahrten der Saison statt, ausgeschrieben vor allem für Nachwuchsfahrer. Mit 32 Jahren ist Robert Kubica ein bisschen zu alt für diese Kategorie. Aber er sorgt dafür, dass vor der Sommerpause noch einmal viele Reporter an die Rennstrecke pilgern. Getestet wird nicht das Talent des Polen, das ist völlig unbestritten, immer noch. Getestet wird sein rechter Arm.

Sein rechter Arm ist seit jenem Februarsonntag 2011, als er am Steuer eines Skoda Fabia bei einer Jux-Rallye in Ligurien von der Leitplanke durchbohrt wurde, nicht mehr voll leistungsfähig. Deshalb nun also dieser Test auf dem Kurs in Ungarn. Der Werksrennstall von Renault, Kubicas letztem Arbeitgeber, möchte ein Tauglichkeitszeugnis sehen. Die Franzosen liebäugeln tatsächlich damit, ihm wieder dauerhaft ein Cockpit zu überlassen.

Im Technokratendeutsch klingt die Versuchsanordnung so: "Dieser Test wird uns detaillierte Daten in einem aktuellen Auto unter repräsentativen Verhältnissen liefern. Danach setzen wir uns zusammen, analysieren die Daten und bestimmen, unter welchen Gegebenheiten es für Robert möglich sein könnte, in den kommenden Jahren zurückzukehren", sagt Renaults Sportchef Cyril Abiteboul. Zwei Probefahrten mit Rennwagen früherer Jahrgänge hat Kubica schon absolviert. Die, die dabei waren, sagen: Er ist wieder ganz der Alte.

Der Alte, das war jener BMW-Pilot, der 2008 in Montreal für den einzigen Sieg in der Ära des Münchner Werksensembles gesorgt hat, und sogar Titelchancen hatte - aber die BMW-Manager waren damals noch nicht bereit, alles auf ihn zu setzen. Drei Jahre später wollte er zum großen Sprung mit Lotus-Renault ansetzen, da geschah der Crash. Das vorläufige Ende seiner Karriere. Aber für einen, der nichts anderes hat oder will als den Motorsport, ist ein Startverbot nicht akzeptabel. 76 Rennen und 273 WM-Punkte - das konnte es nicht gewesen sein.

Robert Kubica kämpfte sich durch Operationssäle und Physio-Folterkammern. Er fuhr wieder Rallyes, bis hoch auf Weltmeisterschaftsniveau. Ein Draufgänger eben. Aber irgendwann war der Reiz weg, die Gefahr zu groß, mit nicht perfektem Material ein zu großes Risiko einzugehen. Noch mal ein Neustart, diesmal bei Rundstreckenrennen im Sportwagen. In jedem Fahrerlager der Welt fand sich jemand, der Kubica unterstützt. Er fährt nicht nur am Limit, er lebt auch extremen Professionalismus vor. Hart gegen andere, am härtesten gegen sich selbst. Aber jeder echte Racer wird sein Kumpel.

Wer ihn fahren gesehen hat, ahnt: Da ist ein Jahrtausendtalent unterwegs. "Ich bin wirklich happy, dass Robert diesen Test bekommt", sagt beispielsweise Lewis Hamilton, "es wäre großartig, wenn er in der Lage wäre, zurückzukommen. Er ist ein Naturtalent, wie es in diesem Sport nicht viele gibt und einer der Schnellsten, gegen den ich je gefahren bin. Hätte er weiterfahren können, wäre er vermutlich schon Weltmeister geworden oder würde gegen uns um den Titel kämpfen." Die Vermarktungsgesellschaft Liberty Media sucht nach neuen Maßnahmen, die Show in der Formel 1 zu verbessern. Kubicas Rückkehr, das zeigt allein der Hype um das Comeback, wäre eine Möglichkeit.

Die Generalprobe auf dem Hungaroring wird ihm alles abverlangen, auch mental. Lenkradprofis sind gewohnt, das Risiko des Scheiterns zu verdrängen. Was nicht bedeutet, dass der Gedanke daran nicht doch mitfährt. Nach seiner ersten Testfahrt im Juni, 115 Runden auf dem winkligen Circuit Ricardo Tormo bei Valencia, verließ er Spanien mit dem denkbar breitesten Lächeln. Später wurde der Mann mit der hohen Stirn aber nachdenklich: "Ich habe gemischte Gefühle. Einerseits bin ich stolz auf das, was ich erreicht habe. Vor ein paar Jahren hätte ich das noch für unmöglich gehalten. Andererseits zeigt es mir, was ich verloren habe." Aber sein Tempo war gut, die Runden konstant.

Kubica versichert: "Ich glaube, die meisten Fragezeichen sind verschwunden."

Beim großen Preis von Ungarn am Wochenende hat er sich bewusst nicht sehen lassen. Er wollte garantiert nicht als PR-Nummer enden. Mit dem Kampf gegen alle Zweifel ist es ihm Ernst, und Renault auch. Es geht jetzt um seine dritte Rennfahrer-Karriere. Die beginnt, ausgerechnet, mit einem Aussteig-Test. Formel-1-Fahrer müssen innerhalb von fünf Sekunden fähig sein, das Cockpit zu verlassen. Das ist ein Kraftakt. Ausnahmeregelungen, sagt Renndirektor Charlie Whiting, gebe es nicht. Das wäre auch das letzte, was Robert Kubica wollte: "Ich glaube, die meisten Fragezeichen sind verschwunden. Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Bei den Tests geht es darum zu sehen, ob ich es schaffen kann, oder ob ich die Tür zur Formel 1 für immer schließen muss." Es geht zehnmal links, sechsmal rechts.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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