Motorsport:Jenseits der Sektflaschen

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Nico Hülkenberg ist der Formel-1-Pilot mit den meisten Rennen, der noch nie auf dem Podest stand. Doch in die neue Saison geht er als einziger Deutscher neben Sebastian Vettel - weil er eben doch Leistung bringt.

Von Philipp Schneider, Melbourne

Nico Hülkenberg hat einmal die Geschichte erzählt, wie er Urlaub gemacht hat auf Mallorca. Gar kein Problem sei das gewesen. Die Formel 1 hatte gerade ihre Sommerpause beendet, die meisten Fahrer waren mal wieder irgendwo ans Meer geflogen, um sich zu erholen, auf irgendwelchen Jachten und in exklusiven Resorts. Hülkenberg aber hatte sich einfach als einer von Hunderttausend Deutschen auf ein Handtuch auf Mallorca gelegt. Wieso auch nicht? Das sei keine große Sache gewesen, hat Hülkenberg erzählt, ihm habe das nichts ausgemacht, zwischen all den anderen Touristen zu liegen. Es habe ihn ja niemand erkannt.

Fünf Jahre ist es her, dass Hülkenberg diese Geschichte erzählt hat, und doch hat sich die Frage nach der Hülkenbergschen' Popularität seither eher zugespitzt als entspannt. Inzwischen ist er 30 Jahre alt, und mit jedem Jahr, das vergeht in seiner Karriere, fragt man sich, ob sich sein Gesicht inzwischen eingeprägt haben mag bei den Urlaubern auf den Balearen, ob die Menschen am Strand sich umdrehen würden nach dem rundum freundlichen Mann aus Emmerich am Rhein, der mit seinen 1,84 Metern Körpergröße zudem auffällig hoch gewachsen ist für einen Formel-1- Rennfahrer. Die Frage drängt sich seit diesem Jahr sogar noch stärker auf, da Hülkenberg neben Sebastian Vettel in der an diesem Sonntag mit dem Rennen in Melbourne startenden WM-Saison der letzte verbliebene Deutsche in der Rennserie ist. Nur zwei Deutsche, das gab es zuletzt 1996 - damals gab Heinz-Harald Frentzen den Sidekick von Michael Schumacher.

Hülkenberg wartet seit Jahren auf die Chance, mal in einem der schnelleren Dienstwagen zu sitzen

Als Hülkenberg in der vergangenen Saison einen Rekord aufstellte, gelang es ihm für einen Tag, eine herrliche Schlagzeile zu produzieren, von der selbst die Fachjournalisten außerhalb Deutschlands Notiz nahmen. Es war keine große sportliche Leistung, mit der Hülkenberg auf sich aufmerksam machte. Es war etwas in der Welt der durchfrisierten Sportler sehr viel Außergewöhnlicheres. Hülkenberg tat sich hervor mit einer außerordentlichen Selbstironie, mit der er seine eigene Negativleistung kommentierte - in jenem Moment, als ihm als erstem Fahrer der Geschichte das Kunststück gelungen war, 129 Rennen in der Formel 1 zu fahren, ohne ein einziges Mal auf dem Podium zu stehen.

"Ich habe lange warten und wirklich hart arbeiten müssen, um diesen Titel von Sutil zu bekommen und den Rekord zu haben", sagte Hülkenberg in Singapur - in Anlehnung an den ehemaligen Rennfahrer Adrian Sutil, der 128 Grand-Prix-Rennen gefahren war, ohne einer spritzenden Sektflasche jemals nahe zu kommen. "Die Sutil-Ära wird zu Ende gehen, die Ära Hülkenberg beginnt an diesem Wochenende", verkündete Hülkenberg trocken, dazu lächelte er nicht einmal. Und übrigens, fügte er noch an, es sei auch etwas wert, so lange in der Formel 1 zu fahren, ohne je unter die Top Drei gekommen zu sein: "Ich bringe keine Leistung und bin immer noch da."

Der tiefe Witz verbarg sich selbstredend darin, dass Hülkenberg in Wahrheit noch immer da ist, weil er eben doch Leistung bringt. Seine Chefs wissen genau, was sie an Hülkenberg haben, für seine Pointen wird er nicht bezahlt von Renault. Wer nicht liefert in der Formel 1, der bleibt nicht lang. Und Hülkenberg ist schon gut herumgekommen in der Rennserie.

Erst fuhr er für Williams, dann für Force India und Sauber, und nun startet er nach einer sehr ordentlichen Einstandssaison bei Renault, in der er Zehnter wurde, zuversichtlich in sein zweites Jahr beim französischen Werksteam: "Wir werden kommen", sagt Hülkenberg. Und auch sein Teamchef Cyril Abiteboul kündigt größere Taten an als im Vorjahr: "Im letzten Jahr konnten wir das Potenzial des Motors wegen der Sorgen um die Standfestigkeit nicht ausschöpfen. Jetzt können wir es!"

Nico Hülkenberg gibts aber trotzdem auch ohne Helm: Hier bei einer Pressekonferenz im Oktober 2017 in Mexiko-Stadt. (Foto: dpa)

Auch weil die zitierte Standfestigkeit fehlte, sind bei Hülkenberg zu den 129 Rennen ohne Podestplatzierung noch sechs weitere hinzugekommen. Aber es gibt eine andere Statistik, die ihm zumindest ein wenig Genugtuung verschaffen dürfte. Er hat - nach dem Mexikaner Sergio Perez - die zweitmeisten Punkte gesammelt im Kreise jener Piloten, die noch nie ein Rennen gewonnen haben. Hülkenberg wird vielleicht kein Rennfahrer mehr werden, dem die Fans in Scharen nachrennen. Aber er ist ein zuverlässiger Arbeiter, der seinem Team konstant Punkte einfährt. Und in der Formel 1 ist jeder Fahrer nur so gut wie sein Material. Fernando Alonso, der zweimalige Weltmeister, der seit ein paar Jahren seinen zwei Weltmeisterautos überaus öffentlichkeitswirksam hinterhertrauert, könnte Hülkenberg ein paar Empfehlungen geben, welche Wechselfehler ein Fahrer in seiner Karriere nicht begehen sollte.

Hülkenberg hat sich allerdings, anders als Alonso, nie verzockt. Er wartet seit Jahren auf die Chance, mal in einem der schnelleren Dienstwagen Platz nehmen zu dürfen, in denen Alonso schon saß. Nachdem Alonso im Vorjahr bei McLaren den Motorenpartner Honda weggemobbt hat, ist in seinem Wagen ab der nun startenden Saison pikanterweise derselbe Motor verbaut wie bei Hülkenberg. Und weil der Spanier recht unstrittig noch immer einer der besten Fahrer im Feld ist, wird der direkte Vergleich zwischen ihm und Hülkenberg spannend zu beobachten sein.

Ganz egal, mit welcher Bilanz Hülkenbergs Karriere eines Tages enden wird, ob ganz ohne erste, zweite und dritte Plätze, oder doch mit ein paar - eine Erkenntnis gibt es gewiss: Hätte Hülkenberg etwas öfter auf dem Podium gestanden, wäre er häufiger nach seiner Meinung gefragt worden. Ziemlich pointiert ist die meist.

Wie ihm der neue Sicherheitsbügel Halo gefällt? "Ein schwerer Schlag für die Attraktivität. Nicht nur, weil er blöd aussieht, sondern die Wahrscheinlichkeit minimal ist, dass ein Unfall passiert, bei dem der Halo wirklich hilfreich ist." Was er über die Abschaffung der Grid-Girls denkt? "Ein weiterer Rückschritt in Sachen Showbusiness. Ein paar heiße Mädels vor den Autos, das ist doch für die ganze Szene nur förderlich." Eine Meinung, die wahrlich niemand teilen muss. Aber immerhin hat Nico Hülkenberg eine.

© SZ vom 22.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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