Motorsport:Ein Trio sucht die Erfolgsformel

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Weiß, wie Unterhaltung funktioniert: Chase Carey eröffnet das Rennen in Le Mans und winkt mit der Tricolore. (Foto: Ker Robertson/Getty Images)

Chase Carey, Sean Bratches und Ross Brawn läuten eine neue Ära in der Formel 1 ein. Ecclestones Nachfolger wollen Kosten reduzieren - und Einnahmen fairer verteilen.

Von Elmar Brümmer, Baku/München

Der Rahmen war ganz und gar unangemessen, um über den Zustand einer Weltmeisterschaft zu referieren, in der alles neu sein soll. Die Repräsentanten der neuen Formel 1, also Chase Carey, Sean Bratches und Ross Brawn, saßen in dem veralteten Fahrerlager von Montreal, das aus Platznot in einem Zelt auf einem Floß untergebracht war. Innen ratterten die Klimaaggregate und draußen die Motoren vom Training einer historischen Rennserie. Doch an diesem Ort zog Carey, der im Auftrag der Formel-1-Besitzer von Liberty Media seit gut vier Monaten ohne den einst allmächtigen Bernie Ecclestone an der Spitze der Rennserie steht, nun sein erstes Fazit. Es war noch etwas durchsetzt von Marketingfloskeln: "Die Wahrnehmung von Seiten der Sponsoren und Veranstalter ist großartig. Das stimmt uns noch zuversichtlicher für die kommenden Jahre." Aber immerhin war es ja so: Da setzte sich das Führungstrio einfach so vor die Medien, die in alten Zeiten (also noch vor einem Dreivierteljahr) eher als lästig empfunden worden waren.

Die Teambesitzer sind immer noch über den Führungsstil des Trios an der Spitze verwundert, sind die meisten doch Kinder der jahrzehntelangen Autokratie. Carey dreht seine Runden durchs Fahrerlager, und der Mann mit dem charakteristischen Schnauzbart wirkt dabei weit entspannter als bei den Machtinszenierungen mit Erdoğan oder Putin. Allerdings steht ihm an diesem Wochenende beim Rennen in Baku erneut ein Auftritt im Rahmen einer propagandistischen Inszenierung bevor, doch das nimmt der 63 Jahre alte Amerikaner hin. Er kommt ja schließlich aus der Unterhaltungsindustrie.

Die Balance zwischen Klassikern und neuen Märkten, hat Carey angekündigt, wolle er im Rahmen des WM-Kalenders unbedingt halten, statt einfach nur da Rennen zu fahren, wo viel Geld ist. Bis zu 25 Rennen im Jahr schwebten ihm vor, sagte Carey, weswegen die Rennställe kollektiv aufstöhnten und Fernando Alonso erklärte, dann werde er in jedem Fall zurücktreten. Später sah man, wie Carey den Spanier zum Zwiegespräch bat.

In dieser Woche wurde der WM-Plan für 2018 vorgelegt, so früh im Jahr wie noch nie. 21 Rennen wird es geben, eins mehr als in dieser Saison. Der Große Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring und der Grand Prix von Frankreich in Le Castellet sind wieder dabei. Erwartet worden war, dass es vielleicht eine der US-Bewerberstädte (New York, Las Vegas, Long Beach) in die erlesene Runde schafft. "Wir hatten viele Anfragen, aber wir wollten mit unserer Wahl auch ein Signal an die bisherigen Veranstalter senden, dass wir ihre Bemühungen schätzen, jedes Rennen zu einem besonderen Erlebnis zu machen", sagt Carey. Das meiste, was die neuen Bosse tun, folgt einer langfristigen Planung. Kein Wunder, sind sie doch erst sechs Wochen vor dem Saisonstart so richtig in die Verantwortung gekommen. Und allein Brawn, der Weltmeistermacher von Michael Schumacher, besitzt echte Racing-Erfahrung. Schon jetzt aber ist klar, dass es keine Ein-Mann-Show mehr geben wird wie unter Ecclestone; ein ganzes Team von Spezialisten arbeitet an der Erfolgsformel der Zukunft. Sogar der Zufall soll minimiert werden, wissenschaftliche Studien, beispielsweise zur Überholunfreundlichkeit oder den Erwartungen junger Motorsportfans, werden in Auftrag gegeben. Besonders spannend wird es, wenn es im Zuge der dringend erforderlichen Kostenreduzierung zu einem Budget Cap und einer Umverteilung der Marketingeinnahmen mit starkem Plus für die kleinen Teams kommen wird. "Relevant ist, wo der Sport in drei Jahren steht und nicht in drei Monaten", sagt Carey.

Ein möglicherweise unfreiwilliges Lob für die neue Richtung kommt ausgerechnet vom Vorgänger Ecclestone, der in seiner Rolle als gern gesehener Frühstücksdirektor noch immer überall auf der Welt durch die Fahrerlager schleicht. "Momentan machen sie Sachen, die ich nie tun würde oder getan hätte", sagt Ecclestone. Allerdings sei es auch so: "Am Ende werden auch sie daran gemessen, ob sie genug Geld verdienen." Anfang September in Monza, sagt Carey zum Abschied, werde man sich wiedersehen. Dann könne er wohl schon mehr sagen. Was er jetzt schon ankündigen kann, ist ein "Ja zu viel mehr Dingen".

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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