Motorsport:Abrupter Gangwechsel

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Der frühere Formel-1-Pilot Gerhard Berger ist als neuer DTM-Chef in seinem ersten Jahr gleich doppelt gefordert: Der Österreicher muss Innovator und Krisenmanager sein.

Von Johannes Kirchmeier, München

Die erste Krise kam früher als erwartet für Gerhard Berger. Seit März ist der frühere Formel-1-Fahrer der erste Vorsitzende der Internationalen Tourenwagen Rennen e.V. (ITR), die die Deutsche Tourenwagen-Masters (DTM) ausrichtet. Und die hat gerade ihr Gründungsmitglied Mercedes verloren. Statt auf laute Motoren und Benzingeruch in der Boxengasse, setzen die Stuttgarter ab 2019 auf die Formel E, in der kein Motor mehr heult, weil elektrisch betriebene Wagen die Geraden entlang surren. "Für die DTM ist dieser Schritt wahnsinnig schade. Der hat auch mich auf dem falschen Fuß erwischt", sagt Berger. Er hat schnell den Gang wechseln müssen, in den Krisenmanager-Modus.

Noch nehmen in Audi und BMW zwei weitere Hersteller an der Serie teil. Das wäre die Mindestzahl, um dann ab 2019 einigermaßen ordentliche Rennen fahren zu können. Von beiden will Berger sich "ein klares Commitment einholen für die Zukunft". Der 57-jährige Tiroler weiß, dass die Spannung leidet, wenn zwei statt drei Marken den Sieg unter sich ausmachen. Er hoffe, dass "wir noch ein, zwei oder am besten drei Hersteller dazu holen". Die Gespräche laufen, Zusagen gibt es noch keine. Ebenso wie beim TV-Vertrag mit der ARD, der am Ende der Saison auslaufen wird. Manche Experten sehen darin das mögliche Ende der DTM, Berger wiegelt jedoch ab: "Natürlich hat uns die Entscheidung von Mercedes nicht in eine stärkere Position gebracht. Aber ich bin mir sicher, wir werden das meistern."

Volle Ränge am Norisring: das Deutsche Tourenwagen Masters beim diesjährigen Rennen in Nürnberg mit Sieger Bruno Spengler (Kanada). (Foto: dpa)

Berger wusste vom Start weg, dass sein Job nicht leicht wird. Er folgt bei der ITR auf den Gründer der DTM, den Schwaben Hans Werner Aufrecht, 78. Der führte die Serie mehr als 30 Jahre lang. Nur wurde die DTM in den vergangenen Jahren unattraktiver für ihre Zuseher. 2016 schauten im Schnitt erstmals weniger als eine Million Menschen die Rennen im Fernsehen. Vielleicht musste ja mal ein Österreicher kommen, um der Deutschen zweitliebste Motorsportserie umzukrempeln. "Da waren einige Themen in der Schublade", sagt er selbst. "Ich habe sie halt in die Umsetzung getrieben. Und bin froh, weil alle Änderungen aufgegangen sind."

Das klingt selbstbewusst. Bergers Änderungen wirken jedoch tatsächlich, weil die Fahrer mehr auf sich alleine gestellt sind, ihre Fähigkeiten in den Vordergrund rücken. Die Reifen dürfen nicht mehr erhitzt werden und es dauert, bis sie Halt auf den Strecken geben, außerdem bauen sie schneller ab. Auch den Funkverkehr hat Berger limitiert, und die Anzeigetafeln an der Boxenmauer dürfen nur noch bestimmte Aufschriften anzeigen. All das hat dazu geführt, dass die DTM ein spannendes Jahr erlebt, nach fast jedem Wochenende gab es einen neuen Gesamtführenden.

210 Einsätze in der Formel 1, seit diesem März Chef der kriselnden Deutschen Tourenwagen Masters: Der Österreicher Gerhard Berger, 57, hat keinen leichten Job. (Foto: Herbert Neubauer/dpa)

Die Quoten entwickeln sich trotz der Spannung auf der Strecke noch nicht ganz im Sinne Bergers, sie stagnieren. Bei der ITR sprechen sie davon, nichts unangetastet zu lassen: "Gedanken habe ich genügend", sagt Berger. Er ist erfahren wie nur wenige im Motorsport: Er fuhr 210 Formel-1-Rennen, war einer der wenigen Kollegen, die mit dem 1994 tödlich verunglückten Brasilianer Ayrton Senna befreundet waren. Danach arbeitete er als Motorsportdirektor bei BMW und war Teambesitzer in der Formel 1. Zudem ist er Logistikunternehmer. "Knochenarbeit", sagt er. Eine, die ihm aber auch in der Unternehmensführung der DTM hilft. Und er hat sich in den vergangenen Saisons als Formel-1-Kritiker hervorgetan; er monierte die Langeweile dort. Nun gestaltet er selbst: "Unterm Strich ist es wichtig, ein Starterfeld mit leistungsstarken anspruchsvollen Autos hinzubekommen, in dem der Fahrer den größten Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg hat." Gegen die Langeweile also.

Sein Neffe Lucas Auer, 22, fährt in der DTM mit, er ist Gesamt-Dritter hinter den Audi-Piloten Mattias Ekström und René Rast. Auer habe aber nicht als Erster von den Regeländerungen erfahren. "Ich kann mich erinnern: Ich habe in einem Interview gelesen, dass der Lucas in einem Interview gelesen hat, dass ich jetzt diese Aufgabe übernehme. Das sagt alles", sagt Berger und lacht laut. Auer soll ohnehin bald eine Liga höher fahren, wenn es nach Berger geht. Er traut ihm die Formel 1 zu.

Die DTM, hofft Berger, soll eine ähnliche Zukunft wie Auer haben, sie soll wachsen - im Interesse und auch bei den Herstellern. Die nächsten großen Umbauten werden aber erst 2019, nach dem Ausstieg von Mercedes, verwirklicht werden können. Nur könnte es dann mit nur noch zwei Rivalen zu spät sein, zumal die Verhandlungen um die TV-Übertragung fürs kommende Jahr noch ungeklärt sind. Zumindest nach außen hin lässt das Berger kalt: "Ich hatte schon als Sportler schwierige und gute Phasen." Momentan durchlebe er eben wieder eine schwierige. In der es ihm aber natürlich auch nicht Unrecht wäre, wenn bald wieder mehr der Kreisfahrt zuschauen. Am besten schon am kommenden Wochenende in Zandvoort in den Niederlanden.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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