Mönchengladbach:"Fantastique"

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Gladbacher Umarmungsgruppe: Die Torschützen Raffael (links) und Nordveit (rechts) feiern beim 3:1 gegen Dortmund mit dem Kollegen Herrmann. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Die eine Borussia ist aktuell die bessere Borussia - geprägt von Trainer Favre. Dortmund muss für seine Nachlässigkeiten büßen.

Von Sebastian Fischer, Mönchengladbach

Fünf Namen machten den Sportdirektor Max Eberl besonders glücklich, nachdem seine Mannschaft die Blaupause einer erfolgreichen Saison gezeichnet hatte. "Granit, Martin, Thorgan, Patrick, Lars", zählte Eberl in den Katakomben des Stadions auf und zog seine Mundwinkel zu einem Grinsen auseinander. Jüngst hatte er mit diesen Profis - mit Xhaka, Stranzl, Hazard, Herrmann, Stindl - neue Verträge abschließen können. Und so konnte Eberl erklären, dass das vorangegangene 3:1 (2:0) von Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund nicht nur ein erfolgreiches Spiel gewesen sei. Sondern der vorläufige Höhepunkt einer nachhaltigen Entwicklung.

Wieder liegt Dortmund schon in der ersten Minute zurück

Mönchengladbach, das wollte Eberl andeuten, präpariert sich für die kommende Saison in der Champions League. Zumindest Rang vier, der Qualifikationsplatz, ist seit Samstag nur noch theoretisch zu verspielen. Veranschaulicht wurde die Gladbacher Zukunftsfähigkeit zudem durch den Gegner, durch die andere Borussia, jene aus Dortmund, jene mit der ungewisseren Perspektive. Doch schon vor Anpfiff hatte Eberl mit Ironie die Feststellung, Gladbachs Borussia sei fortan die bessere Borussia, beiseite gewischt: "Der Weg der Dortmunder ist deren Weg, sie sollen uns nur nicht zu viele Spieler wegkaufen."

Tatsache sind aber erst einmal die Fakten: Gladbach hat in der Tabelle 20 Punkte Vorsprung auf den BVB, erstmals seit 1991 kommt die bessere Borussia wieder aus Gladbach. Gladbach hat damit (vorerst) jenen Status übernommen, den zuvor Dortmund beanspruchte: eine Alternative zum FC Bayern und den finanzstarken Werksklubs in der Spitze der Liga zu sein.

Das Dortmunder Modell wirkte im Kontrast zur Borussia am Samstag verstaubt; die Spieler bemüht, aber im Angriff mutlos, in der Abwehr fahrig. Beim 3:2 im Pokal gegen Hoffenheim unter der Woche waren dynamische Angriffe über die Flügel noch der Schlüssel zum Sieg gewesen. In Gladbach fehlte der gegen Hoffenheim starke Außenverteidiger Erik Durm verletzt, es fehlte die Dynamik. Die Dortmunder mussten erkennen, dass wohl nur noch der Einzug ins Pokalfinale das Bild dieser ernüchternden Spielzeit schönen kann.

Exemplarisch war das 0:1 nach 29 Sekunden. Es war bereits das dritte Mal in dieser Saison, dass der BVB schon in der ersten Minute zurück lag. "Absoluter Weltrekord", wütete Sportdirektor Michael Zorc: "Das sagt viel aus." Die Dortmunder Abwehr um Mats Hummels war noch völlig unsortiert, als die Gladbacher Herrmann und Raffael sich geschwind näherten, im entscheidenden Moment rutschte Hummels aus, Oscar Wendt traf im Nachschuss. "Schläfrigkeit", so Zorc. Beim BVB haben sie inzwischen keine andere Erklärung mehr für diese Spielzeit, außer dem Verweis auf eigene Unzulänglichkeiten.

Die Gladbacher legten das gnadenlos offen. Dortmund hatte mehr Ballbesitz, mehr Spielanteile, "war besser", sagte sogar Gladbachs Trainer Lucien Favre, trotzdem: "Der Sieg war verdient."

Denn Gladbachs Strategie hatte viel vom Dortmund der erfolgreichen Tage. BVB-Trainer Jürgen Klopp hält bekanntlich nicht viel vom bloßen Ballbesitz, er plant Überfälle. Das machte die Topspiele gegen den ballverliebten FC Bayern meist so attraktiv. Gladbach braucht heute, wie einst der BVB, nicht oft den Ball, um effektiv die größere Wirkung zu erzielen.

Patrick Herrmann - diesen Namen versteckte Eberl raffiniert zwischen den vier anderen, die Gladbachs Zukunft prägen sollen. Der Flügelsprinter verkörpert derzeit die Stärken dieser Elf. Das 2:0 war Aktionskunst auf dem Rasen: Herrmann startete sein Solo aus der eigenen Hälfte, vorbei an vier Dortmundern - dann legte er sozial rüber, Raffael schob ein. Früh war der BVB bezwungen, das 3:0 durch Nordtveit, das 3:1 durch Gündogan blieben Beiwerk. "Fantastique", lobte Favre Herrmanns Vorlage.

Später hat Favre, 57, dann doch kurz die Fassung verloren. Angesprochen von einem ARD-Reporter auf das Pokal-Aus am Mittwoch zuvor im Elfmeterschießen bei Drittligist Arminia Bielefeld, polterte er: "Ich habe positive Kurse gemacht, deshalb müssen wir da nicht drüber sprechen." Der Reporter hakte nach: Was lief heute besser? Favre: "Nein! Wollen Sie, dass ich antworte oder gehe? Schneiden Sie das! Weg, weg!" Am Ende des kauzig-kuriosen Dialogs präsentierte Favre aber doch eine Formel: "Die Meisterschaft ist ganz anders als ein Pokalspiel. Es war schwer wie immer."

Gegen den BVB hat sich bestätigt, dass es derzeit nur wenige Trainer so gut verstehen, ein Spiel präzise vorzubereiten, wie dieser erstaunliche Taktik-Grübler aus der Schweiz. So stellt Favre schwere Aufgaben: Seinen Profis, den Dortmundern, den Bayern, gegen die er jüngst 2:0 gewann, und den Reportern.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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