Maria Scharapowa:Die Tennisspielerin, die allen gefällt

2015 Brisbane International - Previews

Nimmt mehr ein als jede andere Sportlerin: Maria Scharapowa

(Foto: Getty Images)

Maria Scharapowa ist nicht die beste Tennisspielerin der Welt, dennoch verdient sie mehr als jede andere Sportlerin. Wie macht sie das? Eine Begegnung.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

"Hallo, ich bin Maria!" Das sind die ersten Worte der jungen Frau mit den zerzausten blonden Haaren und der Rocky-Balboa-Trainingshose. Es ist freundlich, zugleich aber auch verwirrend, wenn eine der berühmtesten Frauen der Welt glaubt, beim Kennenlernen ihren Vornamen nennen zu müssen. Der Nach- name, ja, das würde Sinn ergeben, schließlich hat Maria Scharapowa vor zwei Jahren angeblich überlegt, sich in Sugarpova umzubenennen, um den Verkauf der eigenen Gummibärchenmarke anzukurbeln.

Was einem bei der Begegnung mit der russischen Tennisspielerin anschließend auffällt: Sie sitzt alleine da, ohne Pressesprecher. Statt Make-up trägt sie Gesichtscreme, am Handgelenk eine wertvolle Uhr, an den Füßen Turnschuhe, in den Ohren kleine goldene Pfeile. Neben ihr steht eine Wasserflasche, dahinter ist das Logo eines Autoherstellers zu erkennen. Würde der Gesprächspartner in diesem Moment ein Foto von seinem Blickfeld machen, wären darauf ausschließlich Produkte von Unternehmen zu sehen, für die Scharapowa, 28, als Botschafterin arbeitet.

In der Mitte dieses Bildes wäre das wertvollste Produkt abgebildet: Maria Scharapowa. Laut Forbes-Magazin ist sie seit zehn Jahren die bestverdienende Sportlerin. Auch 2016 dürfte es wieder so sein. Warum ist das so, wo sie doch nicht einmal die beste Akteurin ihrer Sportart ist? "Ich bin ein Entertainer, der Tennisplatz ist meine Bühne", sagt Maria Scharapowa. Ein Grand-Slam-Turnier sei nichts anderes als ein Rockkonzert oder eine Theateraufführung: "Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn Menschen ein Ticket kaufen, um eine Vorstellung von dir zu sehen." Sie sagt nicht Spiel. Sie sagt Vorstellung.

Ihre Einnahmen werden immer wieder mit denen von Serena Williams verglichen

Es ist Dezember, Scharapowa hat mit der Hilfe eines Sponsors in Los Angeles ein kleines Mixed-Turnier organisiert. Madison Keys ist dabei, Kei Nishikori auch, sogar Andy Roddick. Es geht nicht besonders ernst zu, die Saison ist vorbei. Die Tennisspielerin Scharapowa hat 2015 trotz einer Fußverletzung wie in den zwölf Jahren zuvor mindestens einen Turniersieg geschafft (sie gewann in Brisbane und in Rom) und 3,95 Millionen Dollar Preisgeld erspielt. Das reicht für Rang vier der Weltrangliste und für Platz sechs beim Preisgeld.

Wie viel das Produkt Scharapowa erwirtschaftet

556912783

Kam in Wimbledon 2015 bis ins Halbfinale: Maria Scharapowa

(Foto: AFP)

Das Produkt Scharapowa allerdings hat im Jahr 2015 knapp 27 Millionen Dollar erwirtschaftet. Sie erhält ein Vielfaches ihres Filzkugel-Preisgeldes dafür, dass sie Uhren, Turnschuhe, Ohrringe trägt und Gummibärchen verkauft. Laut Forbes verdient sie mehr als die Automobil-Rennfahrerin Danica Patrick, mehr als die Mixed-Material-Arts-Kämpferin Ronda Rousey oder die Golferin Stacy Lewis. Maria Scharapowa verdient auch mehr als jede andere Tennisspielerin.

Das verwundert, gilt Sport doch gemeinhin als Meritokratie, der Beste bekommt auch das Meiste. Natürlich gibt es Athleten, die Aufgrund ihrer Herkunft (Yao Ming als erster chinesischer Basketballspieler in der nordamerikanischen NBA), geschickter Vermarktung (David Beckhams Wechsel zu Los Angeles Galaxy), besonderer Attraktivität (Ex-Tennisspielerin Anna Kurnikowa) oder grandioser Karriereplanung (die Auswahl der Gegner des Ex-Boxers Henry Maske) mehr einnehmen, als es die sportlichen Meriten eigentlich rechtfertigen würden.

Scharapowas hohe Einnahmen jedoch sind auch deshalb interessant, weil sie stets mit denen von Serena Williams verglichen werden. Die derzeit beste Spielerin der Welt verdiente in dieser Saison trotz großartiger Leistungen knapp zehn Millionen Dollar weniger. Das führte zu Debatten, die nicht selten die Begriffe Rassismus und Sexismus enthielten - zumal eine Studie der Analysefirma SportsPro die kanadische Kollegin Eugenie Bouchard als am besten zu vermarktende Sportlerin ausweist. Wie Scharapowa ist Bouchard groß, blond und hat helle Haut.

Was läuft da falsch? Das war der Tenor der zahlreichen Analysen vor den US Open im September, bei denen Williams das vierte Grand-Slam-Turnier binnen eines Kalenderjahres hätte gewinnen können. Es wurde ihr kräftiger Körper kommentiert (New York Times), ihr einschüchterndes Verhalten auf dem Platz (Forbes). Das Magazin Rolling Stone behauptete sogar, sie würde im Frauentennis ähnlich resolut regieren wie Kim Jong-un in Nordkorea. Serena Williams selbst sagte: "Wenn die jemanden vermarkten wollen, der weiß und blond ist, dann ist das deren Entscheidung."

Viele fragten: Was läuft da falsch? Was kaum einer fragte: Was läuft bei Scharapowa anders?

Sie hätte auch gute Chancen am Pokertisch

Sie ist zunächst einmal eine herausragende Akteurin und eine von nur zehn Spielerinnen in der Geschichte, die jedes der vier Grand-Slam-Turnier gewonnen haben. Im Alter von 17 Jahren siegte sie 2004 in Wimbledon, 2006 in New York bei den US Open, 2008 in Melbourne, und zuletzt 2012 und 2014 bei den French Open in Paris. Im Alter von 13 Jahren wurde das Talent in der Tennis-Akademie von Nick Bollettieri (sie kam im Alter von sieben Jahren aus Russland nach Florida) von einem Reporter gefragt, ob sie lieber Wimbledon gewinnen oder 20 Millionen Dollar an Werbeverträgen verdienen würde. Ihre Antwort: "Ich würde Wimbledon gewinnen wollen, weil dann die Millionen auch so kommen."

Schon als Kind sei sie vor dem Klingeln des Weckers wach geworden und wollte trainieren

Formidable Leistungen sind die Grundlage für all die Einkünfte, das wusste sie bereits als Teenager. Auch für die kommende Saison gilt sie trotz 18 Niederlagen in Serie als eine der wenigen, die Serena Williams besiegen können. Scharapowa selbst sagt: "Ein Olympiasieg fehlt noch, ich würde gerne in Rio die Goldmedaille gewinnen."

Anna Kurnikowas Initialen dienen Pokerspielern mittlerweile als Spitzname für eine Kombination aus Karten ("Ass, König - A,K: Sieht gut aus, gewinnt nie."), bei Scharapowa heißt es dagegen, dass sie aufgrund ihres gleichmütigen Verhaltens auf dem Platz auch gute Chancen am Pokertisch hätte. Es gibt keine Ausraster, sie beleidigt keine Gegnerinnen und Schiedsrichter, sie wird noch nicht einmal wütend auf sich selbst.

Diese Disziplin loben auch all jene, die abseits des Platzes mit ihr arbeiten. Viele Prominente bleiben bei Fotoshootings, Interviewterminen und Sponsorenauftritten so lange, wie es im Vertrag festgehalten ist - Scharapowa bleibt so lange, bis sie glaubt, dass alle zufrieden sind. "Viele Sportler denken: Ich bin großartig, also wird mich schon jemand bezahlen", sagt ihr Manager Max Eisenbud, während er in Los Angeles seiner Klientin dabei zusieht, wie diese auch nach zwei Stunden noch immer Hände schüttelt und in Kameras lächelt: "Maria hat verstanden, dass das Geld nur dann fließt, wenn alle glücklich sind. Sie ist stets pünktlich, sie bleibt länger als vereinbart und fragt etwa bei Fotoaufnahmen: ,Habt Ihr wirklich alles?'"

Scharapowa gilt als Workaholic. Schon als Kind sei sie vor dem Klingeln des Weckers wach geworden und wollte trainieren. "Ich arbeite gern, ich kann nicht still sitzen", sagt sie: "Es ist doch gerade als Frau sehr befriedigend, wenn man das machen darf, worin man gut ist. Ich betrachte das nicht mehr als Arbeit."

Maria Scharapowa hat verinnerlicht, dass der Sport ein Segment der Unterhaltungsindustrie ist. Und so verhält sie sich, jeden Tag. Es gibt keine Skandale (die Trennung vom Tenniskollegen Gregor Dimitrov in 2015 verlief ohne Gedöns), es gibt aber auch wenig Ecken und Kanten, an denen man sich reiben könnte.

In ihrem Wohnort Manhattan Beach pflegt sie den amerikanischen Lebensstil, bei der Eröffnung der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi ist sie als Werbefigur des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der Fackel ins Stadion gelaufen. Das ist für Scharapowa kein Widerspruch: Allen gefallen - das ist ihre Paradedisziplin.

Sie hat ihren Nachnamen damals nicht ändern lassen, dennoch will sie Sugarpova zu einer Lifestyle-Marke aufbauen. Zu den Gummibärchen sollen Schokolade und bald Parfum und Kleidung kommen.

Und dann? "Ich habe eine Plattform für eine Familie geschaffen. Ich will eine Mutter sein", antwortet Maria Scharapowa.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: