Manny Pacquiao verliert umstritten:"Ich weiß nicht, was passiert ist"

Lesezeit: 3 min

Manny Pacquiao, der über die Gewichtsklassen hinweg beste Boxer der Welt, dominiert den Kampf gegen Timothy Bradley - doch die Punktrichter sehen den Filipino als Verlierer. Nun wird Pacquiao seine Karriere doch nicht beenden.

Jürgen Schmieder

Nach der siebten Runde taumelte Timothy Bradley benommen in die Ringecke, dann drehte sich kurz um. Es war eine Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung, mit der er seinen Gegner Manny Pacquiao ansah, man konnte die Gedanken in seinem Gesicht sehen: "Herrgott, ist der stark, ich habe keine Chance."

Manny Pacquiao dominierte den Kampf gegen Timothy Bradley - was aber von den Punktrichtern nicht honoriert wurde. (Foto: AFP)

Bradley hielt sich wacker, in einigen der hinteren Runden war er gar überlegen. Doch am Ende reichte er Pacquiao seine Faust, wie ein Hund seinem Herrchen die Pfote hinhält, zu seinem Manager sagte er: "Ich habe mich wirklich bemüht, aber ich konnte diesen Burschen nicht besiegen." Dann wartete er auf das Urteil der Punktrichter.

Als dieses Urteil verkündet wurde, blickten Pacquiao und Bradley ebenso verdutzt wie die 14.000 Zuschauer im MGM Grand Garden in Las Vegas. Nur ein Punktrichter sah den Filipino mit 115:113 vorne, die anderen beiden votierten jeweils 115:113 für seinen Gegner.

Bradley gewann also durch geteilte Entscheidung, er blieb im 29. Profikampf ungeschlagen und bekam den Weltergewichts-Titel des Verbandes WBO überreicht. Für Pacquiao, den über die Gewichtsklassen hinweg besten Boxer der Welt, war es die erste Niederlage seit 2005. In 60 Profikämpfen hat Pacquiao nun zum vierten Mal verloren, zwei Kämpfe endeten Unentschieden.

Der Kampf begann mit einer Verspätung von 30 Minuten, weil Pacquiao zunächst noch den Finaleinzug der Miami Heat in der Basketball-Profiliga NBA (101:88 gegen Boston Celtics) im TV angeschaut hatte. Das war vorher abgesprochen gewesen - wohl auch deshalb, um Basketballfans noch dazu zu bringen, den ausschließlich im Pay-per-View gezeigten Kampf doch noch zu kaufen.

Pacquiao dominierte den Kampf nach vorsichtigem Beginn, immer wieder traf er seinen Gegner mit sehenswerten Kombinationen. Mit der rechten Führhand bereitete er die Aktionen vor, die er meist mit gewaltigen linken Haken an Bradleys Kopf abschloss. In den zwölf Runden brachte er 253 Treffer an Kopf und Körper seines Gegners, davon 190 wuchtige Schläge.

Bradley wankte vor allem in der vierten und siebten Runde beachtlich, doch er fiel nicht um. Der 28 Jahre alte Amerikaner wich immer wieder reaktionsschnell zurück und konterte einige Male geschickt mit dem linken Jab, am Ende gelangen ihm jedoch nur 159 Treffer und 108 so genannte Power Shots.

Nach dem Kampf musste Timothy Bradley mit dem Rollstuhl zur Pressekonferenz gebracht werden. (Foto: REUTERS)

"Ich weiß nicht, was passiert ist", sagte Pacquiao nach dem Kampf, "ich dachte, dass ich sicher gewonnen hätte. Er hat mir mit keinem einzigen Schlag weh getan, er hat nur meine Oberarme getroffen. Ich habe mein Bestes gegeben - aber das Beste war offensichtlich nicht gut genug." Der 33-Jährige hatte aber auch Lob für seinen Konkurrenten parat: "Er hat gut geboxt, und die Richter haben ihn vorne gesehen. So ist das Boxen."

Bradley dagegen musste im Rollstuhl zur Pressekonferenz gefahren werden, weil er aufgrund von Fußverletzungen nicht mehr gehen konnte. Die Muskeln im Gesicht funktionierten dagegen ganz wunderbar: "Pacquiao ist nicht so gut, wie jeder sagt. Ich habe keine Kraft von ihm gespürt, deshalb habe ich verdient gewonnen." Zu diesem Zeitpunkt erkannte sein Manager Bob Arum, dass er seinen Boxer vor sich selbst schützen musste und sagte: "Ich habe mich noch nie für diesen Sport so geschämt wie heute Abend."

Der gewiefte Promoter regte sogleich einen Rückkampf an - wohl wissend um die Rücktrittsgedanken von Paquiao und um die Tatsache, dass dieser Kampf sehr viel Geld generieren könnte. Er hatte sogar ein Datum und einen Ort parat: "10. November im MGM Grand!" Ein Duell zwischen Pacquiao und dem derzeit inhaftierten Floyd Mayweather jr. ist damit erst einmal unrealistisch, der lukrativste Kampf weltweit dürfte diese Revanche sein.

Für den Kampf gegen Bradley erhielt Pacquiao eine Börse von 26 Millionen US-Dollar, dazu kommen noch Beteiligungen aus den Pay-TV-Erlösen und Werbeeinnahmen. Ein Rückkampf dürfte nicht weniger lukrativ sein - und dann steht ja immer noch ein mögliches Duell mit Mayweather jr. im Raum.

Pacquiao ist bereits Abgeordneter auf den Philippinen, irgendwann möchte er Präsident seines Heimatlandes werden. In den Wochen vor dem Kampf gegen Bradley hatte er immer wieder recht glaubhaft mit einem Rücktritt kokettiert. Nach dem Kampf jedoch sagte er trotzig: "Ich kann kämpfen - und ich will den Rückkampf!" Er weiß: Sein Volk braucht nicht nur einen Abgeordneten, sondern eben auch einen Champion. Bestenfalls einen, der noch sehr viel Geld verdient.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: