Mainz - Köln (17.30 Uhr):Alles drin im Topf

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Fünf Tore (hier einer seiner zwei Treffer beim 4:2 gegen Ausgburg), vier Vorlagen: Christian Clemens hat einen großen Anteil am Mainzer Erfolg. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Mainz 05 hat beste Chancen, sich für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren - eine ungeahnt wichtige Rolle dabei spielt der bei Schalke 04 gescheiterte Christian Clemens.

Von Tobias Schächter, Mainz

Martin Schmidt macht kein Geheimnis um seine Taktik im Heimspiel am Sonntag gegen den 1. FC Köln. "Volle Attacke, volles Rohr auf Sieg", kündigt der Trainer des FSV Mainz 05 an, beseelt vom 4:3-Spektakel des FC Liverpool gegen Borussia Dortmund in der Europa-League. Die furiose Aufholjagd der Engländer wurde in Mainz auch ein bisschen mit Stolz wahrgenommen. Dass die beiden beteiligten Trainer Jürgen Klopp und Thomas Tuchel in Mainz groß wurden, lenkte den Fokus auch auf den kleinen FSV. Wobei: Mainz 05 ist gar nicht mehr so klein. Und in Martin Schmidt prägt bei Nullfünf derzeit wieder ein Trainer eine Elf wie einst Klopp und Tuchel. Schmidt schwärmt: "Nach einem solchen Spiel träume ich von der Fußball-Nostalgie, von den Märchen, die es immer wieder gibt."

Ein kleines Fußball-Märchen könnte Schmidt in dieser Saison selbst schreiben. Mit einem Sieg gegen Köln werden Mainzer Europapokalspiele in der kommenden Saison wahrscheinlicher, selbst die Champions League bliebe in Reichweite. Wie nicht anders zu erwarten, liegt es Schmidt fern, die Europapokalteilnahme als Ziel zu formulieren. Er sagt aber auch: "Ich will den Spielern nichts verbieten und bin sicher der Letzte, der die Bremse zieht."

Überdurchschnittlich besetzte Außenbahnen

Mit einem Erfolg gegen Köln wäre das nächste ausgerufene Teilziel erreicht (so viele Punkte wie in der Hinrunde: 24). Danach stehen im Saisonfinale mit Begegnungen in Frankfurt, gegen Hamburg, in Stuttgart und zum Abschluss zu Hause gegen Berlin noch vier Spiele an, in denen die Rheinhessen noch ordentlich Punkte sammeln können. "Es ist alles drin im Topf", sagt Schmidt, der partout keine lauten Schlagzeilen liefern will. Das tue seine Mannschaft mit ihren Leistungen auf dem Platz, findet der 49-Jährige. Schmidt hat eine Mannschaft geformt, deren Entwicklung so atemberaubend wie ihr Spiel ist. Vor etwas mehr als einem Jahr übernahm der Quereinsteiger und ehemalige Nachwuchscoach die Mannschaft in Abstiegsgefahr, nun hat er sie zu einer der lauf- und konterstärksten, aber auch spielstärksten der Liga gemacht.

Besonders auf den Außenbahnen ist die Qualität beim FSV überdurchschnittlich hoch. Im unnachgiebigen Pablo de Blasis, dem schnellen Jairo und dem teils brillanten Christian Clemens konkurrieren drei starke Kräfte um zwei Startelfplätze. Gegen Köln, so viel gibt Martin Schmidt preis, ist Clemens als Rechtsaußen gesetzt. Er lasse im Training keine Zweifel aufkommen: "Christian ist in diesem Jahr ein wichtiger Spieler für uns", lobt Schmidt. "Er spielt konstant, kann mit Druck umgehen und ist richtig gut in Schuss. Wir können gespannt sein, was er am Sonntag abliefert."

Zu Hause im System Schmidt

Für Clemens, 24, ist das Spiel am Sonntag etwas "Besonderes", er ist in Köln geboren und hat zwölf Jahre für den FC gespielt. Er verfolge die Entwicklung beim FC genau, sagt er: "Ich habe mich damals riesig über den Aufstieg gefreut. Und jetzt freue ich mich riesig, dass das Team den Klassenerhalt schafft." Wobei eine Niederlage in Mainz die zuletzt glücklosen Kölner (34 Punkte) noch einmal in den Keller rutschen lassen könnte. Doch Rücksicht will Clemens nicht auf den Klub seiner Geburtsstadt nehmen. Bei aller nachvollziehbaren Zurückhaltung ist in der Mannschaft intern längst der Ehrgeiz gewachsen, die selbst erarbeitete große Chance auf internationalen Fußball auch wahrzunehmen. Clemens verweist zwar auf die ausgerufenen Teilziele, er sagt aber auch: "Wenn man schon mal so weit ist, dann will man sich das natürlich nicht nehmen lassen."

Seit Januar 2015 spielt Clemens zur Leihe in Mainz. Nach seinem Wechsel von Köln zu Schalke 04 im Sommer 2013 konnte er sich in Gelsenkirchen nicht durchsetzen. Wie viele andere Spieler auch, benötigte der ehemalige U 21-Nationalspieler eine Weile, um sich in Mainz an die laufintensive Spielweise von Schmidt zu gewöhnen. Im vergangenen Herbst stand Clemens selten in der Startelf, er plagte sich immer wieder mit kleineren Verletzungen herum. Aber im Moment, sagt Clemens, passe alles: "Das Spielsystem von Martin Schmidt bringt meine Stärken zur Geltung, dazu fühle ich mich in der Stadt superwohl. Der Teamgeist in der Mannschaft ist überragend, auch abseits des Platzes machen wir viel zusammen. Auch deshalb willst du dann natürlich für dein Team noch mehr aus dir herausholen."

Clemens fühlt sich wohl in Mainz und sagt, er sei überhaupt nicht böse, würde Nullfünf die Kaufoption ziehen. Die festgeschriebene Ablösesumme von rund zwei Millionen Euro bezeichnet der Mainzer Manager Christian Heidel für einen Spieler wie Clemens (fünf Tore in 23 Einsätzen) als "nicht sehr hoch". Heidel kann als künftiger Schalker Manager nichts tun, das Heft des Handels haben die Mainzer in der Hand. Und Clemens sagt: "Ich würde mich freuen, wenn ich weiterhin Teil dieser Entwicklung in Mainz sein kann." Vielleicht führt diese Entwicklung den FSV Mainz 05 am Ende in der Tabelle ja sogar vor den FC Schalke 04.

© SZ vom 17.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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