Leichtathletik:Wie eine Reise zum Mars

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"Es wird sehr emotional": Paula Radcliffe, 41. (Foto: Reuters)

Die Britin Paula Radcliffe beendet am Sonntag ihre Karriere - dort, wo sie einst ihren größten Erfolg feierte: beim London-Marathon.

Von Johannes Knuth, München

Paula Radcliffe erinnert sich sehr genau an diesen Tag vor zwölf Jahren, an den 13. April 2003. Sie weiß noch, wie forsch sie den London-Marathon aufnahm, wie Krämpfe ihren Magen nach 29 Kilometern durchschüttelten, wie sie weiterlief, einen fabelhaften Weltrekord aufstellte, 2:15:25 Stunden, wie sie im Ziel umkippte, kreidebleich. Wie ihr Ehemann Gary Lough sagte: "Sie sieht besch*** aus. Hat irgendwer Make-up?"

Paula Radcliffe, 41, aus Großbritannien, wird an diesem Sonntag noch einmal die große Attraktion sein beim London-Marathon, sie wird ihre Karriere an jener Stelle beenden, an der sie vor zwölf Jahren kreidebleich zu Boden geplumpst war. Radcliffes chronisch malader linker Fuß hatte sie zuletzt zu einer langen Pause gezwungen, der Körper mag nicht mehr. Sie wird am Sonntag langsamer laufen als sonst, aber sie läuft noch einmal, in London, das ist ihr wichtig.

London hat Radcliffes Karriere geprägt, im Guten wie im Schlechten. Drei Mal gewann sie den prestigeträchtigen Lauf, hier dominierte sie in ihrer Blüte, von 2002, als sie Europameistern über die 10 000 Meter wurde, bis 2008. London war auch der Ort ihrer letzten großen Enttäuschung. Vor drei Jahren erwartete die Nation eine Goldmedaille im olympischen Marathon, aber Radcliffe trat nicht an, der Fuß. Olympia und Radcliffe, die beiden wurden nie Freunde. 2004 kam sie nicht ins Ziel, 2008 wurde sie 23., sie hatte gerade einen Ermüdungsbruch auskuriert. Niemand konnte den Schmerz mit seinem Willen so gut austricksen wie Radcliffe. Manchmal führte sie das an die Grenzen der Vernunft.

"Ende einer Ära", hat die Zeitschrift Athletics Weekly ihren letzten Auftritt getauft. Radcliffes größtes Vermächtnis ist zweifellos der Weltrekord über die 42,195 Kilometer, an diesem 13. April 2003. Radcliffe verbesserte ihre eigene Bestmarke um zweieinhalb Minuten, ein Fortschritt "wie eine Reise zum Mars", sagte ihr Betreuer Gerard Hartmann. Bis heute war keine Frau annähernd so schnell.

Radcliffe hat bald feststellen müssen, dass so eine Fabelzeit zur Last werden kann; dass sie Zweifel hervorruft. Die 41-Jährige verweist dann darauf, wie sehr sie sich ihrem Sport hingegeben hat, sieben Tage die Woche, mit bis zu 240 Kilometern Trainingspensum, pro Woche. Radcliffe hatte den Weltverband wiederholt aufgefordert, ihr Blut und ihren Urin häufiger zu testen. Sie war mehr als eine Läuferin, sie ist in ihrer Heimat bis heute eine moralische Instanz. "Wir brauchen bessere Kontrollen", sagte sie zuletzt, um die sauberen Läufer zu schützen, um die ramponierte Glaubwürdigkeit der Leichtathletik wieder etwas zu reparieren nach den jüngsten Dopingwellen in Kenia und Russland. Sollte man Doper dauerhaft verbannen? "Ich würde das bevorzugen", sagt sie zuletzt dem Guardian.

An Mumm hat es Paula Radcliffe nie gemangelt. Auch deshalb werden am Sonntag wohl 750 000 Zuschauer kommen, um sie noch einmal zu sehen. Sie wissen, dass eine wie sie so schnell nicht wiederkommt

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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