Leichtathletik:"Lasst sie hassen"

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Trainer Alberto Salazar (Mitte) bei der Gala des Leichtathletik-Weltverbandes 2013 zwischen seinem Schützling Mary Cain (re.) und Dwight Phillips. (Foto: Sebastien Nogier/dpa)

Der Lauftrainer Alberto Salazar wehrt sich wortreich gegen Dopingvorwürfe - lässt aber zentrale Fragen offen. Stattdessen versucht er, Zeugen zu diskreditieren.

Von Johannes Knuth, München

Am Mittwochabend äußerte sich dann Alberto Salazar. Die Leichtathletik-Welt hatte diesen Moment mit Spannung erwartet: Salazar, 56, einer der profiliertesten Trainer im Langstreckensektor, hatte sich ja immerhin drei Wochen Zeit gelassen. Drei Wochen, in denen Dopingvorwürfe gegen ihn, seinen Athleten Galen Rupp sowie das in Portland/USA beheimatete und von ihm geleitete Nike Oregon Project (NOP) durch die Nachrichten geschwirrt waren; in denen weitere Vorwürfe ausgegraben wurden, auch zu Lasten Mo Farahs, dem von Salazar betreuten Olympiasieger aus Großbritannien.

Am Mittwoch veröffentlichte Salazar also seine Verteidigungsrede. Sie ist öffentlich einsehbar auf der Website des NOP, 11 688 Wörter lang. Sie beginnt mit einer Anklage gegen ehemalige Mitarbeiter des Projekts, die der BBC und der Recherche-Plattform ProPublica die Doping-Vorwürfe gesteckt hatten. Die Zeugen seien "bestenfalls schlecht informiert, schlimmstenfalls lügen sie", schreibt Salazar. Er streitet die Vorwürfe ab. Er schließt mit einem Vers, der klingt, als hätte er ihn vom amerikanischen Popsternchen Taylor Swift geborgt: "Lasst die Hasser hassen, wir werden weiter siegen, mit Hingabe, Fair Play." Es ist wirklich eine bemerkenswerte Widerrede. Weil sie bemerkenswert viele Fragen nicht oder kaum beantwortet, trotz der 11 688 Wörter.

Einen Großteil seiner Ausführungen widmet Salazar Galen Rupp. Der Olympia-Zweite von 2012 über 10 000 Meter ist so etwas wie das Vorzeigeprodukt des NOP. Um ihn kreisen die meisten Vorwürfe, vor allem um ein Diagramm, das Salazars ehemaliger Angestellter Steve Magness veröffentlicht hatte: Demzufolge nahm Rupp, damals 16 Jahre alt, eine "Testosterone Medication". Eine falsche Beschriftung, sagte Salazar nun, Rupp habe damals ein legales Testosteron-Medikament genommen. Ja, er habe Rupp auch 2011 - legale - Medikamente von den USA nach Düsseldorf geschickt, versteckt in einem ausgehöhlten Taschenbuch - weil er fürchtete, dass der Zoll sie beschlagnahmen könnte. Ja, er habe seinem eigenen Sohn Testosteron verabreicht, um zu prüfen, ab welcher Menge die Dopingtests ausschlagen - als Sabotagetest, aus "Paranoia" jemand könnte Rupp heimlich ein Testosterongel einmassieren.

Naive Lügnerin, schlechter Trainer - Salazar diskrediert die Zeugen

Und ja, Rupp nehme leistungsfördernde Kortikosteroide wie Prednisolon ein. Dafür habe er, Salazar, aber mehr als 500 Seiten an Nachweisen an die Usada weitergereicht, die amerikanische Anti-Doping-Agentur, für eine medizinische Ausnahmegenehmigung. Rupp konsumiere diese Medikamente, "um normal atmen zu können, nicht, um schneller zu laufen", schreibt Salazar. Sein Athlet sei hochgradig allergisch, auf Katzen, Hunde, Hausstaubmilben, auf zwei Pilzarten, vier Sorten von Gräsern. Außerdem leide Rupp an einer Schilddrüsenunterfunktion sowie an Asthma. Amerikas führender Langstreckenläufer, dieses Bild zeichnet Salazar zumindest an manchen Stellen, ist scheinbar ein ziemlich kranker Mann. Nun gut.

Andere Fragen, die in den Doping-Berichten anklingen, lässt Salazar verhallen. Selbst wenn er an Dysfunktionen der Hoden leidet, wie er nun angibt - warum führte er jahrelang das Testosterongel Androgel mit sich? Für den Eigenbedarf? Obwohl er einst am Herzen operiert wurde, 2007 einen 14 Minuten dauernden Herzstillstand erlitt? Was ist mit der Läuferin Lauren Fleshman, die vor kurzem berichtete, Salazar habe ihr geraten, ihr Asthma-Spray das ganze Jahr über hoch zu dosieren, entgegen dem Rat der Ärzte? Wie kam es, dass seine Athletin Mary Decker-Slaney 1996 des Testosterondopings überführt wurde?

Salazar schreibt dazu nicht ein Wort. Er bedient sich lieber aus dem Abc der Zeugendiskreditierung. Kara Goucher, eine ehemalige Athletin, die ihn beschuldigt hatte? Eine naive Lügnerin. Steve Magness, der wichtigste Kronzeuge? Ein schlechter Trainer, so Salazar. Außerdem habe er Signale empfangen, wonach Magness eine Liebesbeziehung mit einer Athletin aus der Gruppe gepflegt haben soll. Magness hat das umgehend dementiert. Das NOP, so Salazar weiter, habe den Vertrag mit Magness 2012 schließlich beendet, einseitig. Das passt bloß nicht so recht zum Auflösungspapier, das ProPublica am Donnerstag verbreitete. "Lieber Steve", beginnt das Schreiben vom 27. Juni 2012, "wie besprochen haben Nike und Du gemeinsam beschlossen, Deinen Nike-Vertrag zu beenden." Sollten beide Seiten in Zukunft Lust verspüren, wieder zusammenzuarbeiten, "würde Nike diese Gelegenheit gerne erwägen".

Von einer anderen Flanke ausgehend droht Salazar neuer Ärger. Die amerikanische Nachrichtenagentur AP berichtete am Mittwoch, Usada habe "mehr als ein Dutzend Zeugen interviewt". Außerdem bemühe sich die Agentur derzeit aktiv um Dokumente und andere Beweise rund um den Fall.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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