Leichtathletik:"Ich finde es unglaublich, dass der Verband darin keine Chance sieht"

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Kaum ein Para-Sportler sorgt durch seine Leistungen und seine Äußerungen für so viel Aufruhr wie Markus Rehm. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Paralympics-Sieger Markus Rehm über seine Saison und die Chance, bei der EM zu springen.

Interview von Maximilian Länge, München

Die Leichtathletik-Saison ist vorbei, aber Markus Rehm ist noch immer unterwegs. In diesen Tagen war der einseitig amputierte Weitspringer und Paralympics-Sieger in München, um bei einer Podiumsdiskussion über das Weistpingen mit Prothese zu sprechen - und über seinen ewigen Wunsch, an Wettkämpfen der Nichtbehinderten teilzunehmen. Seine Bestleistung sind 8,40 Meter, 2016 hätte er damit olympisches Gold in Rio gewonnen. In diesem Jahr ist er nicht so weit gesprungen, aber trotzdem Weltmeister geworden. Ein Gespräch über seine Saison - in und abseits der Weitsprunggrube.

Markus Rehm, Sie haben im Juli in London zunächst nicht glücklich gewirkt nach dem Gewinn ihrer Goldmedaille im Weitsprung. Warum?

Es war mehr drin dieses Jahr, aber ich konnte das in keinem Wettkampf abrufen. Klar ist es utopisch, immer 8,40 Meter springen zu wollen, da müssen die Bedingungen perfekt sein. Schön, dass am Ende die acht vor dem Komma stand, mit allem anderen wäre ich unzufrieden gewesen. Trotzdem wäre ich gerne weitergesprungen, das ist der sportliche Anreiz. Aber natürlich habe ich mich später dann auch über die Titelverteidigung gefreut.

Was steht nach dieser Saison unter dem Strich?

Dass ich heiß bin auf die nächste Saison und gerne das zeigen möchte, was ich dieses Jahr eigentlich schon drauf gehabt hätte. Ich bin spät eingestiegen, deswegen habe ich zu wenige Wettkämpfe gemacht. Ich kann die an einer Hand abzählen, da fehlte mir einfach die Routine.

Trotz der wenigen Wettkämpfe waren Sie viel unterwegs. Zu den sportlichen Einsätzen kamen Treffen mit Vertretern des Leichtathletik-Weltverbands und Termine, um den Para-Sport zu promoten. War das am Ende zu viel?

Anfang des Jahres war die Frage: Kümmere ich mich um das Voranbringen meines Vorhabens oder kümmere ich mich um meinen Körper und mein Training? In dem Fall war ich konsequent und habe mich auf meine Leistung konzentriert, um bei den paralympischen Wettkämpfen die beste Form zu haben. Aber auch die Gespräche und Reisen kosteten viel Zeit und Kraft.

Trotzdem waren Sie am Ende nicht bei der WM der nicht gehandicapten Athleten dabei...

...und darüber war ich enttäuscht. Nicht, weil ich nicht starten durfte, sondern weil ich es unglaublich finde, dass der Verband darin keine Chance sieht. Ich glaube, die Geschichte gemeinsamer Wettkämpfe würde der Leichtathletik gut tun. Ich muss immer wieder klarstellen, dass ich nicht auf Biegen und Brechen in der Wertung bei den nicht gehandicapten Athleten starten will. Es geht mir um gemeinsame Wettkämpfe, das ist ja nichts Außergewöhnliches.

Die nächste Chance auf eine Doppelteilnahme böte die Heim-EM 2018 in Berlin. Das Regelwerk verbietet aktuell nur die Teilnahme von Para-Athleten an Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen. Wie sind die Aussichten?

Mit dem europäischen Verband gab es noch keine Gespräche, wir suchen aktuell einen Termin. Ich setze mir als Deadline das Ende des Jahres und hoffe, dass wir bis dahin alle an einen Tisch finden und bedeutend weiterkommen.

In London wurde die WM mit Para-Sportlern beworben, Ihr Konterfei war auf Plakaten neben dem von Usain Bolt zu sehen. In Berlin sind die paralympischen Athleten bislang außen vor.

London ist das beste Beispiel, da wurden die paralympischen und olympischen Athleten gleich promotet. Mit oder ohne Handicap, das ist den Veranstaltern völlig egal, ob die Sportler stehen oder sitzen auch. So weit sind wir in Deutschland noch nicht, die Briten haben von den Spielen 2012 profitiert und damals ihr ganzes Spitzensportsystem umstrukturiert. Die EM in Berlin wird schon seit vergangenem Jahr beworben, da dachte ich noch, super, sie sind echt früh dran. Aber ich verstehe nicht, warum wir es nicht schaffen, gemeinsam dafür zu werben. Die beste Lösung wäre gewesen, wenn wir uns rechtzeitig zusammengesetzt und eine gemeinsame Aktion gestartet hätten. Dafür ist es jetzt zu spät, aber ich hoffe, dass trotzdem noch eine Kooperation stattfindet.

Mit dem Kölner Biomechaniker Heiko Potthast haben Sie viel getestet, um herauszufinden, ob Sie durch die Prothese begünstigt werden oder nicht. Das Ergebnis: Beim Absprung haben Sie durch den Karbonfuß einen Vorteil, beim Anlauf sind sie dadurch im Nachteil. Was kann in der Forschung noch getan werden, um zu einem definitiven Ergebnis zu kommen?

Für mich ist das ein Endresultat, damit müssen wir arbeiten. Wir können Absprung und Anlauf nicht aufwiegen. Auf der Basis, die wir jetzt haben, müssen wir Entscheidungen treffen. Gemeinsame Wettkämpfe ja. Aber getrennte Wertungen müssen das Fairplay erhalten.

© SZ vom 24.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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