Leichtathletik:Die große Stille

Die Betrugsaffäre im Leichtathletik-Weltverband IAAF zieht Kreise, die zuletzt enthüllten Geschäftspraktiken rücken das Gewerbe immer weiter ins mafiöse Milieu. Doch die betroffenen Sportverbände und die Welt-Anti-Doping-Agentur ducken sich weg.

Von Thomas Kistner, München

Es herrscht beredte Stille in der Sportwelt, die am Wochenende durch neue Enthüllungen zu mutmaßlich kriminellen Geschäftspraktiken noch tiefer ins mafiöse Milieu gerückt wurde. Die Korruptionsaffäre im Leichtathletik-Weltverband IAAF weitet sich aus; die Staatsanwaltschaft in Paris dementiert nicht, was die ARD Sonntagabend erneut ausführlich aus den Ermittlungsakten berichtete: Russische Spitzensportler hätten von der organisierten Dopingvertuschung des Clans um Ex-IAAF-Boss Lamine Diack profitiert.

Benannt wurden Marathonläuferin Lilija Schobuchowa, die Geher Sergej Kirdjapkin, Wladimir Kanaikin, Waleri Borchin, Olga Kaniskina sowie Hindernisläuferin Julija Saripowa. Die sechs sollen zu den 23 Athleten zählen, die laut ARD in die Affäre verstrickt sind. Auch Asli Alptekin, die Gold über die 1500 m von London zurückgeben musste, gestand, vom Diack-Clan erpresst worden zu sein. Die Türkin zahlte geforderte 650 000 Euro nicht und wurde gesperrt.

Dass die IAAF unter Diack-Nachfolger Sebastian Coe ebenso schweigt wie IOC und Welt-Anti-Doping-Agentur, wirkt entlarvend. Die Wada-Spitze unter dem wiedergewählten Craig Reedie war schon im Herbst 2014 über den Erpressungsverdacht informiert; statt ihrer Aufgabe nachzugehen, reichten die Dopingjäger die Informationen nur ans IAAF-Ethikkomitee weiter. Dies Gremium agiert so alibihaft wie die Ethiker im Internationalen Olympischen Komitee. Letztere sperrten sogar Dopingenthüllerin Julia Stepanowa von den Rio-Spielen aus, ein offenkundiges Wunschurteil für IOC-Boss Thomas Bach.

Für das IOC unter Putin-Freund Bach könnten die Enthüllungen besonders heikel werden: Sie legen auch dar, dass Marathon-Favoritin Schobuchowa bei den Spielen in London 2012 gemäß Funktionärs- Absprache hätte starten, aber keine Medaillen holen dürfen. Tatsächlich beendete sie das Rennen nicht. Solche Betrügereien schätzt das Publikum am wenigsten.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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