Leicester City:Jetzt bloß nicht absteigen

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Kein Vorbeikommen: Leicester City um Jamie Vardy (schießend) und Arsenal um Torhüter Cech trennen sich 0:0. (Foto: John Sibley/Reuters)

Neues vom Überraschungsmeister: Die Euphorie in Leicester ist ungebrochen, doch die Ziele sind andere. Ein müdes 0:0 gegen Arsenal und Schüsse von Torjäger Jamie Vardy auf die Tribüne geben den Tiefstaplern recht.

Von Johannes Kirchmeier, Leicester/München

Kurz vor dem Anstoß des ersten Heimspiels der neuen Premier-League-Saison schreien zwei junge Mädchen nach Leicester-Trainer Claudio Ranieri. Der 64-Jährige, ganz italienischer Gentleman, marschiert zur Tribüne. Er tauscht sich kurz mit den Mädels aus, posiert für ein Selfie. Ranieri lächelt glücklich, Dienst erfüllt. Jetzt kann das Spiel beginnen. Und Ranieri hat die Gewissheit: So eine englische Meisterschaft verliert nicht an Glanz.

Die Stadt des Überraschungsmeisters vom Mai ist noch immmer im City-Fieber: Das Stadion war beim ersten Heimspiel gegen den FC Arsenal am Samstag nahezu ausverkauft. Noch ein Beispiel: Die Regionalzeitung Leicester Mercury kennt am Samstag kein anderes Thema als den Fußball. Auf der Homepage im Angebot: ein Live-Ticker, ein Artikel darüber, wann das Spiel gegen Arsenal beginnt und wo es übertragen wird, die Leicester-City-Kolumne - und die Leicester-City-Transfernews, die handeln vor allem von der Vertragsverlängerung mit Riyad Mahrez, dem Premier-League-Spieler des Jahres. Er und seine Kollegen cruisen jetzt mit sündteuren blauen Sportwagen durch die Stadt, die ihnen der Klubboss mit dem schwierigen Namen, Vichai Srivaddhanaprabha, spendierte.

"Wir sind noch immer Underdogs"

Und doch hat sich etwas verändert, das war im Spiel gegen Arsenal zu erkennen. Und zwar nicht neben, sondern auf dem Fußballfeld. Die Blau-Weißen, die im vergangenen Jahr ein Spiel nach dem anderen gewonnen hatten, gewinnen nicht mehr. Nach der historischen Niederlage bei Hull City (1:2) - erstmals hatte ja ein Titelverteidiger zum Auftakt der Premier League verloren - nun auch gegen Arsenal. Das Spiel endete 0:0. Den letzten Sieg "feierte" Leicester beim 2:1 im Vorbereitungsspiel gegen Drittligist Oxford United Mitte Juli.

"Wir sind immer noch Underdogs", sagt Coach Ranieri daher. Und er lässt auch immer noch so spielen: Die "Foxes", bei denen der Österreicher Christian Fuchs auf der linken Seite verteidigen darf und Robert Huth mittig, überlassen dem Gegner weiterhin vorwiegend den Ball und versuchen zu kontern. Arsenal hatte Ballbesitzwerte im 70-Prozent-Bereich. Aber es wirkte ein bisschen so, als hätte Arsenal-Trainer Arsène Wenger seinen Spielern Videos der alten Bayern-Mannschaft von Louis van Gaal gezeigt. Wie die Münchner 2010 passten die Gunners den Ball stets quer oder wieder zurück, wenn sie dem Strafraum näherkamen.

Eine charakteristische Szene aus der 24. Minute: Arsenals Ägypter Mohamed Elneny saß auf der Bank, die Mundwinkel weit nach unten. Er starrte aufs Feld - und begann auf seinen Fingernägeln zu kauen. Spannend war's nicht. Nur als der neue Arsenal-Sechser Granit Xhaka, mit der Empfehlung von drei roten Karten und drei Toren aus Mönchengladbach gekommen, per verunglückter Freistoßflanke Kasper Schmeichel testete, ging ein Raunen durchs Stadion. Schmeichel erhält derzeit den Vorzug vor Ron-Robert Zieler, der im Sommer von Hannover 96 zu Leicester wechselte und auf der Bank saß.

Es gab auch positive Nachrichten: Vardy und Mahrez sind geblieben

Trainer Claudio Ranieri ist seit Sommer zum Umbau gezwungen. "Es war wichtig, dass wir kein Gegentor kassieren. Das gibt uns Selbstvertrauen in der Defensive", sagte er daher. Sein kantiger Mittelfeldspieler N'Golo Kanté räumt jetzt für den FC Chelsea auf, für ihn kam Nampalys Mendy aus Nizza, der sich unglücklicherweise am Samstag bei seinem Premier-League-Debüt böse verletzte, als er beim Abstoppen umknickte. Die polnische EM-Entdeckung Bartosz Kapustka und Ahmed Musa sind ebenfalls neu, konnten die Offensive aber noch nicht verstärken, in der Ranieri Jamie Vardy und Mahrez zum Bleiben überreden konnte. Vardy und Mahrez: Das war Leicesters Traumduo in der Meistersaison. Mahrez legte vor, Vardy traf. Arsenal soll sehr interessiert an ihnen gewesen sein.

Wenn die beiden Torgaranten ihre Form der Vorsaison erreichen können, sollte Ranieri auch nicht bange ums Jahresziel sein. Der Italiener betont ja, dass für den Titelverteidiger, der in diesem Jahr auch an der Champions League teilnimmt, das vorwiegende Saisonziel sei, den Abstieg zu vermeiden. Wie Vardy startet ja das ganze Erfolgsteam wieder bei null, der Lauf der Meisterschaftssaison ist vergessen.

Was im vergangenen Jahr perfekt funktionierte, will ihm nun nicht mehr so gelingen: Vardy konnte am Samstag viele Flugbälle aus der Abwehr gar nicht aufnehmen. Schaffte er es mit dem Ball dann doch an den Abwehrspielern vorbei, drosch er die Kugel auf die Ränge. Aber man darf das wohl nicht so negativ sehen, sein Verein hat ja am Samstag den ersten Punkt gesammelt. Gegen den Abstieg.

© SZ vom 21.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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